Ausländer werden im großen Stil evakuiert, doch die Sudanesen sind bei der Flucht vor den Kämpfen auf sich gestellt. Die wenigen Routen aus dem Land sind gefährlich.
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Während die westlichen Industriestaaten ihre Diplomaten und Staatsbürger aus dem Sudan evakuieren, bleiben die Sudanesen nun sich selbst überlassen - und müssen sich um ihre Flucht selbst kümmern. Doch aus der umkämpften Hauptstadt Khartum im Herzen des gewaltigen Landes zu fliehen, ist gar nicht so einfach. Zudem stellt sich für viele Fluchtwillige die Frage, in welche Richtung sie eine solch waghalsige Reise wagen können. Wer aus Khartum hinausfährt, steht bald in der Wüste. Nur wenige Straßen führen durch die Sahara gen Norden, also in Richtung Ägypten. Und in fast allen anderen Nachbarländern Sudans ist die Lage ähnlich prekär: In Eritrea, Äthiopien und im Süd-Sudan herrschen Bürgerkrieg, Leid und Hunger.
Auf Internetplattformen werden daher derzeit Tipps ausgetauscht, um die besten Routen aus dem Land zu finden. Einige Sudanesen, denen die Flucht bereits gelungen ist, veröffentlichen auf den sozialen Plattformen auch schon Details ihrer ebenso beschwerlichen wie gefährlichen Reise. "Bitte teilt dies, diese Infos können für viele eine gute Hilfe sein", schreibt beispielsweise eine junge Sudanesin, die Ägypten sicher erreicht hat. Sie berichtet, dass die Preise für eine 13-stündige Busfahrt von Khartum aus an die Grenze zu Ägypten sich in den vergangenen Tagen vervierfacht haben.
Überfüllte Flüchtlingslager
Der Fluchtweg nach Norden in Richtung Mittelmeer nach Ägypten ist extrem riskant. Die Route führt über den gewaltigen Nil, der nur über einige wenigen Brücken passierbar ist. Doch die Übergänge über den Fluss sind Nadelöhre und strategisch wichtige Knotenpunkte für die Konfliktparteien, um eroberte Gebiete abzuriegeln und zu kontrollieren. Ihr Bus sei drei Mal von Militärs gestoppt worden, berichtet die junge Sudanesin mit dem Twitter-Namen "Noon" auf dem Kurznachrichtendienst. "Sie ließen uns gehen, nachdem sie gesehen haben, dass unter uns viele Kinder und Alte waren."
Und selbst die, die es über eine der Brücken geschafft haben, wissen nicht, ob sie tatsächlich auch das Land verlassen können. Erwachsene Männer aus dem Sudan brauchen für die Reise ins Nachbarland Ägypten ein Visum, was nur bei der Botschaft in Khartum oder beim Konsulat in der nahe gelegenen Grenzstadt Wadi Halfa zu beschaffen ist. Nicht-Sudanesen können es hingegen an der Grenze erhalten.
Bis zu 20.000 Menschen aus dem Sudan haben auch schon im Nachbarland Tschad Schutz gesucht. Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR wird die Lage in den dortigen Flüchtlingslagern jedoch immer prekärer, denn der Tschad beherbergt bereits mehr als 400.000 Flüchtlinge aus dem Sudan. "Neuankömmlinge belasten die überlasteten öffentlichen Dienste und Ressourcen des Landes zusätzlich", erklärt das UNHCR.
Für die, die im Sudan bleiben, wird das tägliche Leben in den umkämpften Gebieten allerdings stetig schwieriger. Das Koordinationsbüro der Vereinten Nationen (UNOCHA) meldet bisher mehr als 450 Tote durch die Kämpfe, an die 4.000 Menschen sollen verletzt worden sein. Eine hinreichende medizinische Behandlung ist aber oft nicht möglich, da elf Krankenhäuser und Gesundheitsstationen in Khartum und der Region Darfur in den vergangenen Tagen unter Beschuss lagen. Internationale Nichtregierungsorganisationen, die im Gesundheitssektor eine wichtige Rolle spielen, haben mittlerweile auch schon ihre Mitarbeiter in Sicherheit gebracht, nachdem bereits fünf ausländische NGO-Vertreter getötet wurden.
In weiten Teilen des Landes ist zudem der Strom ausgefallen, damit funktionieren auch das Internet und viele Telefonverbindungen nicht. Auch die Wasserversorgung ist von den Kämpfen betroffen. Das sudanesische Gesundheitsministerium warnt bereits vor dem Ausbruch von Seuchen wie Cholera. Laut UNOCHA fliehen die meisten Sudanesen, die derzeit ihre Habseligkeiten zusammenraffen, nicht vor den unmittelbaren Kampfhandlungen, sondern weil kein Trinkwasser mehr verfügbar ist.
Hilfsflugzeuge fliegen nicht
Auch die Lebensmittelversorgung wird stetig schwieriger. Bereits vor Ausbruch des Konfliktes waren weit mehr als sieben Millionen Menschen im Sudan von Lebensmittellieferungen des UN-Welternährungsprogramm WFP abhängig, darunter vor allem die knapp eine Million Flüchtlinge aus anderen Regionen Afrikas, die im Sudan Schutz suchten. Das WFP verteilte die Lebensmittel innerhalb des Sudans bisher vor allem mit Flugzeugen, doch derzeit kann keine Maschine fliegen. "Die anhaltenden Kämpfe hindern uns daran, lebensnotwendige Lebensmittel zu liefern, Schulmahlzeiten für Kinder bereitzustellen oder Unterernährung zu verhindern und zu behandeln", warnt das WFP, das auch schon selbst zum Ziel geworden ist, als vor kurzem ein Warenlager mit über 4.000 Tonnen Lebensmittel im Süden Darfurs geplündert wurde. "Alle Parteien müssen die Kämpfe nun so schnell wie möglich beenden und eine Einigung erzielen, die die weitere Lieferung von Nahrungsmitteln und humanitärer Hilfe ermöglicht."