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Flucht in den Zynismus

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Das Gefühl von Ohnmacht kann rasend machen. Oder eben zynisch, je nach Charakterveranlagung. | In Syrien müssen wir seit Wochen einem Regime dabei zuschauen, wie es skrupellos über die Leichen seiner Bürger geht.


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Nicht viel anders, allerdings zumeist ohne Liveberichterstattung, ist es in dutzenden weiteren Staaten, in denen wir von schweren Menschenrechtsverletzungen wissen, aber faktisch nichts dagegen tun können.

Strafverschärfend zu dieser Ohnmacht kommt noch hinzu, den scheinbar Mächtigen bei ihren rhetorischen Bewältigungsstrategien zuhören zu müssen. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon etwa, der sich tief besorgt über die Gewaltexzesse zeigt; oder US-Präsident Barack Obama, der immerhin fordert, dass Syriens Regime umgehend alle Gewalthandlungen einstellen soll; und wenn dann auch noch der Chor der internationalen Zwergenlandschaft die Diktatur zum Einlenken auffordert, und das entschlossen, tut es wirklich weh.

Was wäre die Alternative? Seit 2500 Jahren geistert die Idee einer Weltregierung durch die Philosophen-Köpfe des Abendlandes, doch über die höchst unvollkommene UNO sind wir bis dato nicht hinausgekommen. Immerhin: Nirgendwo sind wir einer solchen Institution in der Realität näher, als wenn sich die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates in einer Frage einig sind. Doch das ist ohnehin nur selten der Fall.

Bleibt die Frage, ob eine Weltregierung samt schneller Eingreiftruppe die Lösung unserer Probleme wäre. Mitunter vielleicht, als Regelfall wohl kaum. Das Recht der Bürger auf Mitsprache lässt sich nur von unten nach oben durchsetzen. Demokratie hat ihre Wurzeln im Kleinen, in der Familie, in der Stadt - bisher sind die Nationen ihre Grenzen. Zwar versucht Europa, neue Grenzen für die Repräsentation der Bürger zu ertasten. Bis zur jüngsten globalen Krise schien das bemerkenswerte Unterfangen auch ganz gut zu klappen, jetzt bleibt der endgültige Ausgang abzuwarten.

Für das gegen seine Diktatur aufbegehrende syrische Volk heißt dies, dass sie auf tatkräftige Hilfe der Weltgemeinschaft nicht hoffen können. Und der Westen, also die USA und Europa, können nicht, selbst wenn sie wollten. Die Asse, die stechen könnten, sind nämlich bereits verteilt - in Afghanistan, im Irak und jetzt eben auch in Libyen. Auch eine Version für den Satz "Wer zu spät kommt... ". Was bleibt, sind Ohnmachtsgefühle oder eben die Flucht in den Zynismus.