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Flucht ins Nirgendwo

Von WZ-Korrespondentin Simone Schlindwein

Politik

Die Gewalt treibt Flüchtlinge in den Kongo - der selbst bettelarm ist, Preise explodieren.


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Bangui/Zongo. Der Wasserstand ist niedrig in der Trockenzeit. Sandbänke ragen aus dem Ubangui-Fluss, dem Grenzlauf zwischen der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik. Auf der zentralafrikanischen Uferseite leuchten nachts die Straßenlaternen der Hauptstadt Bangui. Auf Kongos Seite liegt das Fischerdorf Zongo mit knapp 3000 Einwohnern: ohne Strom, fließendes Wasser, Straßenanbindung. Die Hauptstadt Kinshasa ist vier Tagesreisen entfernt - die Märkte von Bangui nur fünf Minuten mit dem Boot. In Zongo wird mit zentralafrikanischer Währung bezahlt, mit zentralafrikanischem Handynetz telefoniert. Zongos Wirtschaft hängt an Bangui.

Seitdem der Bürgerkrieg in Zentralafrika ausgebrochen ist, leiden auch die Kongolesen in Zongo. Täglich überqueren hunderte Flüchtlinge den Fluss, um Schutz zu suchen. So auch Thomas Kamagoua mit seiner Frau und vier Kindern. Seit zwei Tagen haust er auf einer Bastmatte in einem weißen Zelt des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR). "In Bangui gibt es nichts zu essen, die Schulen sind geschlossen, ich habe keine Arbeit mehr. Um nicht zu verhungern, mussten wir fliehen", berichtet er.

Die Lage in Zentralafrika hat sich ein nun wenig beruhigt, nachdem christliche Milizen im Dezember zu den Macheten gegriffen hatten, um die muslimischen Rebellen der Seleka (Allianz) zu vertreiben, die im März 2013 die Regierung gestürzt hatten. Die Muslime sind fast alle aus Bangui geflohen. Man hört nur noch vereinzelt Schüsse auf der anderen Uferseite. Doch nun macht sich der Hunger breit. In Bangui und damit auch in Zongo.

Omar Kamana hockt im Schneidersitz in seinem kleinen Geschäft auf einem Schemel. Um ihn herum reihen sich Holzregale, die sonst voll sind mit Keksen, Seife, Zucker oder Milchpulver. Jetzt sind sie fast leer. "In Bangui gibt es fast nichts mehr zu kaufen oder es ist unerschwinglich", berichtet er. Der kongolesische Muslim fuhr stets mit dem Boot nach Bangui, um dort bei seinem muslimischen Händlerfreund Waren zu erstehen. Nun ist sein Freund aus Bangui vertrieben worden. Die christlichen Milizen machen Jagd auf Muslime, töten sie mit Macheten auf offener Straße. Auch Kamana traut sich nicht mehr über den Fluss. Damit stirbt auch sein Geschäft.

In Zongo explodieren die Preise. Ein Huhn kostet mittlerweile drei Mal so viel. Der sonst so geschäftige Marktplatz wirkt verwaist. Wo Frauen einst Obst und Gemüse anboten, herrscht jetzt gähnende Leere. Während der Warenstrom aus Bangui versiegt, steigt aber die Zahl der Bewohner in Zongo. Viele Flüchtlinge weigern sich, sich im 40 Kilometer entfernten Lager anzusiedeln. Tausende sind bei Verwandten in Zongo untergekommen. "Die ganze Familie meiner zentralafrikanischen Frau ist bei uns eingezogen", berichtet Ivon Kobilo, der selbst vier Kinder hat.

"Wir hausen wie Tiere"

Rund 250.000 Zentralafrikaner sind in den vergangenen zwei Monaten in die Nachbarländer geflohen. Davon 60.000 in den bettelarmen Kongo, in dem selbst seit 20 Jahren Bürgerkrieg herrscht und eine Viertelmillion Menschen in Lagern lebt.

Zusätzlich besteht das Problem, dass der Norden des Kongo auf dem Landweg kaum zugänglich ist. Die Lastwagen des UN-Welternährungsprogramms WFP sind tagelang unterwegs. Derartige Transporte verursachen enorme Kosten, sagt der WFP-Landesdirektor für den Kongo, Martin Ohlsen: "Wir haben nur ein Budget von 24 Millionen Dollar pro Jahr, und jeder Krisenherd verursacht Kosten. Wir sind hin- und hergerissen, denn wir haben so viele Krisen im Land."

Das Flüchtlingslager Mole liegt 40 Kilometer von Zongo entfernt in der trockenen Savanne, mitten im Nirgendwo. Es gibt keinen Handyempfang, keine Wasserquelle. 10.000 Zentralafrikaner leben hier dicht gedrängt. Die meisten sind Jugendliche aus Bangui. UNHCR hat 1200 Häuser aus Plastikplanen errichtet, in die Löcher hineingeschnitten wurden, damit Luft durchweht.

"Wir sind Jugendliche aus der Großstadt, jetzt hausen wir hier wie Tiere", beschwert sich Patrick Damagoua. Der 26-jährige Jusstudent ist Sprecher der Jugend im Lager. Er trägt Jeans, Sonnenbrille und modische Turnschuhe. Um ihn herum drängeln sich hunderte junge Männer. "Wir langweilen uns hier im Busch, viele gehen zurück, um sich in Bangui den Milizen anzuschließen", sagt er.

Der Konflikt in Zentralafrika

In der Zentralafrikanischen Republik hatte das Rebellenbündnis Seleka im März 2013 vorübergehend die Macht an sich gerissen. Die Seleka-Verbände rekrutierten sich aus Muslimen und haben Gräueltaten an Christen verübt. Daraufhin übten christliche Milizen wahllos Rache und ermordeten moslemische Zivilisten. Die derzeitige Regierung hat keine Kontrolle über das Land. Aufgrund der Gewalt ist eine internationale Mission im Einsatz, derzeit befinden sich im Land rund 2000 französische und 6000 afrikanische Soldaten. Die EU unterstützt die Mission, auch Österreich beteiligt sich daran. Die sechs Stabsoffiziere befinden sich im Hauptquartier der Mission in der griechischen Stadt Larissa und sollen dort auch bleiben.