Während die USA unter den Nachwehen der Entlassung des FBI-Direktors leiden, lenkt Trump ab.
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Washington D.C. Wenn Bilder wirklich mehr sagen als Worte, dann hat Russland jede andere Nation der Welt als besten Freund Amerikas definitiv abgelöst. Einen Tag, nachdem der US-amerikanische Präsident Donald Trump FBI-Direktor James Comey abgesetzt hatte, empfing er am Mittwoch im Weißen Haus Sergej Lawrow und Sergej Kislyak, den seit 2004 amtierenden Außenminister und den Botschafter der Russischen Föderation.
Nachdem letzterer seine Mission in Washington offenbar zur Zufriedenheit aller Beteiligten erfüllt hat, stellte das Treffen für ihn auch eine Art Abschiedsbesuch dar. Wladimir Putin hat Kislyak für einen Posten bei den Vereinten Nationen in New York nominiert, wo der 66-Jährige künftig eine sich noch im Aufbau befindliche neue UN-Teilorganisation für Terrorismusabwehr leiten soll. Zustande war der Besuch auf die persönliche Bitte Putins hin gekommen und Trump kam dieser, wie alle Fotos des Treffens belegen, nur allzu gern nach: keines, in dem der New Yorker Ex-Reality-TV-Star nicht übers ganze Gesicht strahlt.
Großteil der US-Pressewurde ausgeschlossen
Nachdem es aber mittlerweile nichts mehr zu geben scheint, was Trump richtig machen kann, geriet selbst diese Episode zur Farce, und das nicht nur wegen des hochgradig fragwürdigen Timings. Während das Weiße Haus russischen Medienvertretern umstandslos Akkreditierungen erteilt hatte - einem von Lawrow aus Moskau mitgebrachten Fotografen wurde trotz heftigen Protests des Secret Service gar erlaubt, sein umfangreiches Equipment ins Oval Office zu schaffen - war ein Großteil der heimischen Presse von dem Treffen ausgeschlossen worden. Eine Geste, die kaum andere Interpretationen zulässt als die, die Trump bisher angeblich unter allen Umständen vermeiden wollte; und die nach der Entlassung von FBI-Chef James Comey, der bis zuletzt die Untersuchungen seiner Behörde über Verbindungen zwischen Russland und Mitgliedern der Wahlkampftruppe des Präsidenten voran trieb, mehr als einen schalen Beigeschmack hinterlässt. Trumps Umfeld war daher bemüht, eine andere Lesart zu verbreiten, verwickelte sich dabei aber in Widersprüche. Nachdem die öffentlichen Reaktionen den Umständen entsprechend ausfielen, entschied sich Trump jetzt zu einer schnellen Flucht nach vorn. Am Donnerstag unterzeichnete er wieder einmal eine sogenannte Executive Order, die 35ste, seit er Ende Jänner sein Amt angetreten hat.
Neue Kommission zurPrüfung von Wahlbetrug
Ihr Inhalt ist insofern so weitreichend wie typisch für seine bisherige Politik, als sie im Kern ein Problem behandelt, das de facto nur in den Augen seiner Stammwähler existiert, diese dafür aber so richtig zu enthusiasmieren versteht.
Die Verordnung bestimmt die Einrichtung einer neuen Kommission, die Hinweisen von "Wahlbetrug und Wählerunterdrückung" in den USA nachgehen soll. Bis heute ist Trump davon überzeugt, dass "zwischen drei und fünf Millionen Stimmen", die bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Herbst für Hillary Clinton abgeben wurden, durch Wahlbetrug zustande kamen.
Allein die Wahl jener Leute, die diese Kommission anführen sollen, zeugt davon, wie ernst es der 70-Jährige meint. Vorstehen soll ihr neben Vizepräsident Mike Pence ein Mann aus Kansas, der Trumps auf keinerlei Fakten beruhenden Analyse inhaltlich voll und ganz teilt: Kris Kobach, seines Zeichens Secretary of State des so erzkonservativen wie mittlerweile nahezu pleite gegangenen Bundesstaats Kansas. Davon abgesehen, dass der 51-jährige Berufspolitiker als einer der Architekten der Trump’schen Einwanderungspolitik gilt, fiel er in der Vergangenheit als kompromissloser Verschwörungstheoretiker auf, der wegen seiner so extremen wie kruden Thesen schon mehrmals von Bundesstaats- und Bundesgerichten in die Schranken gewiesen wurde.
Von den unter der Präsidentschaft von Barack Obama begonnenen und von den Republikanern seitdem systematisch vorangetriebenen Umzeichnung von Wahlbezirken ("Gerrymandering") zu ihren Gunsten - eine Maßnahme, die unter anderem dazu geführt hat, dass Bundesstaaten wie North Carolina mittlerweile nicht mehr als demokratisch gelten (nach Einschätzung zahlreicher US-Politikwissenschafter repräsentiert die Praxis des Gerrymandering mittlerweile eine bei weitem größere Gefahr für die US-Demokratie als jede Einflussnahme Moskaus, und zeigt sich diese noch so offensichtlich.) Mit anderen Worten: Einen Mann wie Kobach mit der Aufgabe zu betrauen, Hinweisen von Wahlbetrug und Wählerunterdrückung nachzugehen, ist ungefähr so, wie wenn man Hannibal Lecter zum Lebensmittelinspektor für Restaurants macht, die sich auf die Zubereitung menschlicher Gliedmaßen spezialisiert haben.
Ob die neue Executive Order reicht, um die Russland-Connection aus den Schlagzeilen zu verdrängen, gilt freilich als ähnlich fraglich wie Trumps Ankündigung, in den kommenden Tagen das FBI-Hauptquartier zu besuchen, um vor den dortigen Mitarbeitern zu sprechen.
Inwiefern das wirklich eine gute Idee ist, lässt sich vielleicht, den modernen Zeiten entsprechend, an den Reaktionen nämlicher auf Facebook ablesen. Seit Comeys Ablöse haben dort zahlreiche Mitarbeiter der US-Bundespolizei FBI ihre privaten Profile mit einem Bild von James Comey ersetzt. Eine unmissverständliche Geste der Solidarität unter Kollegen - die gewöhnlich nur dann die Runde macht, wenn ein FBI-Agent im Dienst zu Tode kommt.