)
Seit der Antike werden Kriminelle und politisch Andersdenkende auf ausbruchssicheren öden Inseln interniert - in Australien auch Asylwerber.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Stirb anderswo, nur nicht in unseren Häfen, wo das australische TV zuschaut." So beurteilen australische Menschenrechtler mitten im Wahlkampf die seit 2001 praktizierte Abschreckungspolitik ihres Landes gegen asiatische Flüchtlinge. Diese werden in internationalen Gewässern abgefangen und bis zur Asylentscheidung auf zwei Pazifik-Inseln interniert. Außenminister Sebastian Kurz sieht das als Vorbild für Asylverfahren vor der EU-Außengrenze.
Da die Flucht von bewachten Inseln fast ausgeschlossen ist, gelten sie seit der Antike als ideal, um Verurteilte aus dem Verkehr zu ziehen. Immerhin begann Australiens "europäische Geschichte" 1776 mit dem Abfall der USA von England, das ab 1788 seine Sträflingskolonien nach Australien verlegte. Es folgten weltweit Hochsicherheitsgefängnisse auf Inseln wie Asinara an der Nordspitze Sardiniens (1885 bis 1997) oder der Alcatraz ("Pelikan") in der Bucht von San Francisco (1933 bis 1963). Auf "Robben Island" vor Kapstadt wurden ab Ende des 17. Jahrhunderts Kriminelle, Leprakranke und geistig Behinderte isoliert, ehe von 1959 bis 1997 der Apartheidstaat Südafrika politische Gegner einsperrte - darunter Nelson Mandela, der in einer Vier-Quadratmeter-Zelle 18 Jahre durchlitt. Auf die "Teufelsinsel" vor Guayana und auf die pazifische "Hölleninsel" Neukaledonien verbannte Frankreich von 1854 bis 1946 Kriminelle, darunter den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus, der 1894 mit gefälschten Dokumenten wegen Spionage für Deutschland zu lebenslanger Haft, aber 1906 voll rehabilitiert wurde. Angewidert von antisemitischen Exzessen während des Prozesses schrieb Theodor Herzl 1896 das Buch "Der Judenstaat", in dem Juden endlich unbehelligt leben könnten - das Grundsatzdokument für das 1948 gegründete Israel.
Jugoslawiens Marschall Josip Broz Tito eröffnete 1949 auf der Adria-Insel Goli Otok ("Nackte Insel") ein KZ für "Staatsfeinde", darunter vorwiegend Stalinisten, die Titos spektakulären Bruch mit Stalin 1948 und die Bildung des "Blocks der Blockfreien" sabotierten. 1988 wurde das Lager aufgelöst. Kuba bekam auf der "Kieferninsel" ein KZ, das die spanischen Kolonialherren errichteten und nach der Unabhängigkeit 1898 die neuen Diktatoren erbten. Dorthin verbannte Fidel Castro abtrünnige Kampfgefährten, Saboteure und Parteifeinde.
Keinesfalls sind diese Inseln mit Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln zu vergleichen. Dennoch kritisierte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vor zwei Wochen "die Überfüllung und die miserablen Hygienezustände in den Lagern, die mit Stacheldraht eingezäunt sind". Und zur Einstimmung auf den Weltflüchtlingstag forderte UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon am Wochenende auf Lesbos: "Internierungen sind keine Lösung, das muss sofort aufhören."
Flüchtlinge nach australischem Beispiel vor den EU-Außengrenzen abzufangen, mag Europa strategisch entlasten, löst aber nicht das humanitäre Problem: Das Virus "populistischer Nationalismus" zersetzt die EU-Solidarität zur Aufnahme von Flüchtlingen. Deshalb diagnostizierte die internationale Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" eben erst den "Versuch Europas, das Thema Flucht auszulagern".