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Mit einer Kombination aus Ausbildung und Betreuung vermittelt der Verein "lobby.16" junge Flüchtlinge an Lehrbetriebe. Ein Konzept, das aufgeht.
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Wien. "Am Anfang war ich ein bisschen skeptisch. Heuer stocken wir von 22 auf 34 Lehrlinge auf. Weil es so gut läuft." Günter Hell ist Leiter der Lehrlingsausbildung bei den ÖBB. Die Lehrlinge, über die Hell so begeistert spricht, wurden ihm vom Verein "lobby.16" vermittelt. Alle haben sie eines gemeinsam: Sie sind unbegleitete Minderjährige, die als Kinder oder Jugendliche "aus komplett zerrütteten Gesellschaften ohne Strukturen nach Österreich - häufig ohne Schulbildung - nach Österreich kamen, erzählt Irmgard Kischko, Mitgründerin von lobby.16, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Die Wirtschaftsjournalistin betreute vor einigen Jahren, genau wie die heutige Geschäftsführerin des Vereins lobby.16, Veronika Krainz, als Patin junge Flüchtlinge. Irgendwann war klar, dass Behördengänge und das Erlernen der deutschen Sprache nicht ausreichten. "Ich habe mich gefragt: Was wollen und brauchen die Jugendlichen für eine gesicherte Zukunft in Österreich wirklich?". Die Antwort: Eine reale Ausbildung. Die Voraussetzung, die die Flüchtlinge für einen Lehrantritt erfüllen müssen, ist subsidiäre Schutzberechtigung oder Asyl als Status.
Ausbildung als Schlüssel
Ohne Ausbildung hätten die jungen Menschen keine Chance auf dauerhafte Arbeit. Auch der Zugang zu einer fremden Gesellschaft finde sich durch Ausbildung und Beruf wesentlich leichter. Durch ihre Arbeit hatte Irmgard Kischko die nötigen Kontakte zu Betrieben, deren Lehrlingsreferenten sie für das ambitionierte Ausbildungsprojekt begeistern wollte.
Und die sind nicht nur von den motivierten "lobby.16-Lehrlingen" überzeugt, sondern auch von der Arbeit des Vereins. "Uns gefällt das ganzheitliche und integrative Konzept von lobby.16", sagt Alexandra Pattmann, Lehrlingsbeauftragte des Kommunikationskonzerns T-Mobile, der seit 2010 insgesamt 15 Jugendlichen über das Projekt aufgenommen hat. Unterrichtet werden die jungen Flüchtlinge zuerst in Basisbereichen wie Deutsch, Englisch und Mathematik, sie erhalten außerdem EDV-Workshops und gleichzeitig ein Schnupper-Praktikum, an das sie - wenn alles gut läuft - mit einer Lehre anknüpfen können.
Vorher sprechen die jungen Menschen mit der Psychologin Daniela Albl über ihre Interessen und Vorstellungen zum Beruf. "Dann schauen wir, was wir machen können", sagt Kischko. Am meisten gefragt sind bei den hauptsächlich männlichen Jugendlichen technische Berufe. Diese Kombination hat sich als Erfolgsrezept herausgestellt.
Nach dem Motto "gute Nachrichten verbreiten sich schnell" stoßen immer wieder neue Jugendliche zu lobby.16. Die Mundpropaganda laufe gut, man kenne das Projekt in Flüchtlings-Wohngemeinschaften und beim AMS und die Kooperation mit den Betrieben funktioniere sehr gut. Manchmal kommen Firmen sogar aktiv auf den Verein zu. Da das Team lediglich aus drei Personen besteht, "schaffen wir nur 25 Jugendliche, die wir pro Jahr ausbilden, um ihnen eine Lehrstelle vermitteln zu können", erzählt die Journalistin.
25 Chancen pro Jahr
Aber das sind jedes Jahr 25 Existenzen, die zumindest eine solide Chance auf eine gesicherte Zukunft haben. Österreichweit ist die Arbeit von lobby.16 einzigartig. Es gebe zwar Kurse, die Flüchtlinge besuchen dürfen, aber eine reale Ausbildungsmöglichkeit bietet so ein Kurs noch lange nicht. Eine Lehre ist etwas Greifbares: Ausbildung in Theorie und Praxis.
Doch auch die Betriebe profitieren. "Wir haben bis jetzt sehr gute Erfahrungen gemacht", lobt Hell. Die jungen Menschen seien sehr motiviert und dankbar für die Chance und seien genau darüber informiert, was sie im Berufsfeld erwartet. "Das ist eine Seltenheit. Die Jugendlichen werden nicht nur abgesetzt, sondern von den Betreuern begleitet."
Für beide Seiten sei es eine Win-Win-Situation, erklärt Pattermann von T-Mobile: "Wir als Unternehmen gewinnen motivierte Lehrlinge, die durch ihre Sprachkenntnisse und besonderen Erfahrungen Vielfältigkeit ins Unternehmen bringen und unsere Teams bereichern." Sogar eine dritte Seite profitiert. Durch Sprachen wie Persisch oder Dari stellen die Jugendlichen einen großen Mehrwert dar. Viele Kunden besuchen zur Beratung bewusst jene Shops, in denen lobby.16-Lehrlinge arbeiten.
Einer dieser äußerst motivierten Jugendlichen ist Mohammad Djawad aus Afghanistan. Der 23-Jährige "DJ", wie er sich im Interview vorstellt, hat sich allein über den Iran, Irak, die Türkei und Griechenland bis nach Österreich durchgeschlagen und hier sein Ziel einer besseren Zukunft nicht mehr aus den Augen gelassen: Hauptschulabschluss in Oberösterreich, ein Hilfsarbeiterjob, mit dem er sich über Wasser hielt und den Führerschein finanzierte. Heute lebt er in Wien und ist Lehrling im zweiten Lehrjahr zum Maurer und Schalungsbauer im Bauunternehmen Porr. Von Anfang an wollte er Deutsch lernen, das nun nach sieben Jahren mit einem österreichischen Dialekt gefärbt ist.
"Kann sich alles erarbeiten"
Zum Selbstvertrauen einer Person tragen Beschäftigung und Ausbildung massiv bei. Die ist auch bei DJ in soliden Ansätzen vorhanden. "In der Arbeit bin ich sehr zufrieden, auch mit den Kollegen verstehe ich mich sehr gut. Ich glaube, es gibt keine großen Unterschiede zwischen mir und einem Vorarbeiter. Maximal in der Theorie, aber da komme ich mit den Prüfungen auch noch hin." Das Wichtigste weiß er aber jetzt schon: "Arbeitslosigkeit gibt es überall, auch in Österreich. Es ist wichtig, zumindest eine Lehre abzuschließen."
"Auch in Österreich ist das Leben schwierig, aber in Afghanistan hatte ich keine Aussicht auf Schule und eine schöne Zukunft. Hier kann man sich alles erarbeiten", ist DJ überzeugt. Nach der Lehre ist für ihn der Weg nicht zu Ende, er möchte sich weiter ausbilden lassen. "Stück für Stück nach vorne", sagt er mit ernstem Blick.
lobby.16 (Lehrstellen für Flüchtlinge)
Connecting People (Patenschaft für unbegleitete Minderjährige)