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Flüchtlinge? Nicht bei uns

Von Klaus Huhold

Politik

Mit seiner Rhetorik gegen Flüchtlinge traf Premier Robert Fico offenbar einen Nerv in der Slowakei. Warum ist das so?


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Bratislava/Wien. "Ich werde nicht erlauben, dass über EU-Quoten auch nur ein einziger Muslim hierher gebracht wird!" Unter tosendem Applaus griff der slowakische Premier Robert Fico bei seiner letzten Wahlveranstaltung in Bratislava vor der Parlamentswahl am Samstag noch einmal das Thema auf, mit dem er schon seit Monaten zu punkten versucht: Flüchtlinge.

Fico präsentierte sich dabei als Verteidiger und Beschützer der katholischen Slowakei, sprach davon, dass die Idee des multikulturellen Europas gescheitert sei. Unter seiner Regierungsführung reichte die Slowakei Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die verpflichtende Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen innerhalb der EU ein.

Dabei ist die Slowakei von den Fluchtbewegungen kaum betroffen. 330 Asylanträge gab es im vergangenen Jahr, ganzen acht Personen hat die Slowakei Asyl gewährt. Zudem wurden rund 150 Christen aus dem Irak aufgenommen. Von den rund 1000 Asylwerbern aus Österreich, die für die Dauer ihres Verfahrens in Gabcikovo untergebracht werden sollten, haben die meisten die Slowakei wieder verlassen.

"Ein pragmatischer Populist"

Doch das Thema schürt offenbar Zukunftsängste, und Fico bemerkte schnell, dass er hier mit nationalistischen Tönen Emotionen schüren kann. "Fico ist ein pragmatischer Populist", sagt der Politologe Grigorij Meseznikov, der in Bratislava das "Institut für Öffentliche Fragen" leitet, der "Wiener Zeitung". Ficos Rhetorik scheint auf fruchtbaren Boden zu fallen. In einer Studie kam die Meinungsforschungsagentur Focus zu dem Ergebnis, dass sich 85 Prozent der Bewohner belästigt fühlen würden, sollten muslimische Flüchtlinge ausgerechnet in ihrem Dorf untergebracht werden.

Gefragt nach den Ursachen für diese Haltung der Slowaken geben Beobachter - abgesehen von dem Hinweis, dass sich Anti-Flüchtlings-Rhetorik nicht auf die Slowakei beschränkt - immer wieder soziale Ursachen an. Viele Slowaken betrachten sich als arm - und die Lebensumstände sind auch nach wie vor für viele Bürger hart, die Mindestpension beträgt gerade einmal 280 Euro. Die Flüchtlinge werden vielerorts als potenzielle Konkurrenten im Verteilungskampf gesehen, denen noch dazu vorgeworfen wird, dass sie Zuwendungen bekommen, ohne zuvor etwas geleistet zu haben.

Zudem war die Slowakei während des Kommunismus sehr abgeschottet, und bis heute gibt es kaum Erfahrungen im Zusammenleben mit Moslems. Dafür viele Ängste vor Fundamentalismus und Terrorismus.

Die Politik schlägt genau in diese Kerbe und befeuert diese Stimmungen auch noch. Meseznikov kritisiert Smer hart: "Ich halte es für gefährlich, was die Partei hier macht. Sie verstärkt einen xenophoben Diskurs."

Allerdings: Auch keine einzige Oppositionspartei spricht sich für die EU-Quote oder die Aufnahme von mehr Flüchtlingen aus, das scheint in der Slowakei derzeit politischer Selbstmord zu sein. Stattdessen versuchten die Mitte-Rechts-Parteien, die Debatte auf andere Themen zu lenken. Und Smer spielte ihnen offenbar dabei die Hände.

Landesweite Proteste des Krankenpersonals und der Lehrer für bessere Löhne und mehr staatliche Finanzierung schien Smer nicht ganz ernst zu nehmen. Zudem wurden Korruptionsskandale der Regierung von der Opposition offensiv thematisiert. Deshalb dürften Fico und seine Smer laut Prognosen ihre absolute Mehrheit im Parlament verlieren. Trotzdem stehen die Chancen für Fico nicht schlecht, dass er einen Koalitionspartner findet. Denn seine Gegner sind zerstritten.