Die Wien-Chefin des Prüfungszentrums ÖSD über den vermehrten Bedarf an Deutschzertifikaten.
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Wien. Das Österreichische Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) ist für Migranten der erste wichtige Schritt zur Integration in die Gesellschaft und weltweit anerkannt. Seit 21 Jahren regelt es die Feststellung des Sprachniveaus in Deutsch als Pendant zum Cambridge Certificate im Englischen. Die Leiterin des zertifizierten Prüfungsinstituts in Wien, Karoline Janicek, spricht im Interview mit der "Wiener Zeitung" über die Folgen der Flüchtlingskrise, neue Herausforderungen an die Lehrer und die Sprache als Karriereschlüssel.
"Wiener Zeitung": Wie hat die Flüchtlingskrise und der vermehrte Bedarf an Deutschkursen und -zertifikaten Ihre Arbeit verändert?Karoline Janicek: Wir haben ja sechs Levels, also von A1 bis C2, gemäß dem gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER), der die Lernziele für verschiedene Sprachen regelt. Durch die jüngsten Ereignisse und Zuströme von Flüchtlingen haben wir in den vergangenen Monaten natürlich einen deutlichen Anstieg der ÖSD-Kandidatenzahlen beobachtet.
Was heißt das konkret in Zahlen gegossen?
2012 hatten wir in Österreich etwa 25.000 abgelegte Prüfungen aller Leistungsstufen, 2016 werden wir wahrscheinlich grob geschätzt 40.000 Prüfungen in Österreich durchführen.
Wie ist Ihr Eindruck vom Lernwillen der Flüchtlinge?
Die Flüchtlinge sind lernbegierig und kommen von sich aus, um die Prüfung zu machen. Man muss ganz klar sehen, dass die meisten das auch freiwillig machen, denn ein Zertifikat ist eine psychologische Stütze. Man weiß, was man kann, wenn man ein Zeugnis bekommt, das international anerkannt ist. Ich will auch mit dem Vorurteil aufräumen, dass Migranten nichts lernen wollen.
Aber ist es nicht in Wirklichkeit so, dass viele Migranten das Zertifikat als Nachweis für Behörden benötigen?
Für das Visum muss man bei der Ersteinreise das Level A1 vorweisen, für die Verlängerung den positiven Abschluss des Levels A2 oder B1. Für eine Staatsbürgerschaft gilt es dann, das Level B1 oder B2 abzuschließen.
Andere wiederum brauchen den Abschluss für die Universität...
In den vergangenen 20 Jahren sind unsere Absolventen oft deswegen angetreten, weil sie für ihre weitere Karriere oder ihr Universitätsstudium erfolgreiche Nachweise der Deutschkenntnisse brauchen.
Und wie gehen die Lehrer mit der Mehrbelastung um?
Das was wir im letzten Jahr erlebt haben im Bereich der Deutschausbildung macht mich persönlich stolz und glücklich: Viele tolle Lehrer haben ehrenamtlich in ganz Österreich viele Stunden unterrichtet und eine Menschlichkeit zu Tage getragen, die vorbildlich ist. Es funktioniert im Großen und Ganzen gut, muss ich sagen.
Was für Prüfungserfordernisse stellt ÖSD an die Prüfungsabnehmer wie z.B. Migranten?
Es werden die vier Grundfertigkeiten Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen geprüft. Beim ersten Level A1 muss man 60 Prozent der Aufgaben schriftlich und mündlich lösen, um die Prüfung zu bestehen. Ab dem Level A2 muss man beide Prüfungsteile, also mündlich und schriftlich schaffen.
Wie ist es möglich, dass die Anbieter in Wien für ein und denselben vier- bis sechswöchigen Intensivkurs der Mittelstufe zwischen 200 und 600 Euro verlangen?
Hier ist es mir wichtig, ganz klar festzuhalten, dass wir als ÖSD kursunabhängig arbeiten. Das heißt, dass wir keine Richtlinien für Kurse geben und uns auch nicht bei der Preisgestaltung einmischen. Wir geben lediglich Richtlinien für die standardisierten Prüfungen vor. Aber zurück zu Ihrer Frage: Es macht durchaus Sinn zu vergleichen. Denn oft kann es sein, dass man für einen Kurs in der Inneren Stadt wegen der hohen Miete etc. viel mehr bezahlt als in anderen Bezirken, bei anderen Anbietern.
Warum sind die Prüfungsgebühren so unterschiedlich?
Wir geben hier Richtwerte an, die Kursinstitute schlagen oftmals etwas drauf. Unser Richtwert ist etwa für A1 75 Euro und für A2 85 Euro.
Was passiert, wenn man beim ersten Antritt zur Prüfung durchfällt?
Dann bezahlt man beim Zweitantritt nur noch die Hälfte.
Gibt es für Asylwerber Rabatte?
Wir sind über die schwierige Lage der Flüchtlinge, die sehr
bemüht sind, informiert und
geben diesen daher bei den
Prüfungsgebühren gerne entsprechende Vergünstigungen. Dies
geschieht üblicherweise über die Trägerorganisationen wie die
Caritas.
(af) Elementare Sprachverwendung:A1: Vertraute, alltägliche Ausdrücke verstehen und verwenden; sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen - z. B. wo sie wohnen, was für Leute sie kennen oder was für Dinge sie haben; auf Fragen dieser Art Antworten geben. Sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen. A2: Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, sich in routinemäßigen Situationen verständigen
Selbständige Sprachverwendung: B1Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird, sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen äußern; B2 Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen; sich spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung möglich ist.
Kompetente Sprachverwendung:C1: Breites Spektrum anspruchsvoller, längerer Texte
verstehen. Sich spontan und fließend ausdrücken; C2: Man kann praktisch alles mühelos verstehen und Informationen Quellen zusammenfassen; sich spontan,
sehr flüssig und genau ausdrücken; Begründungen und Erklärungen.
Mehr Infos unter:
www.osd.at
Lernstufen für das Deutsch-diplom
Zur Person
Karoline
Janicek
arbeitet seit 17 Jahren beim Österreichischen Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) und ist seit 2011 in Leitungsfunktion. Derzeit ist sie stellvertretende Geschäftsführerin und Leiterin der Niederlassung Wien. Die 48-jährige
Germanistin hat das Lektorat für Deutsch als Fremdsprache
gemacht.
Siehe dazu auch: Man spricht Deutsch: Zu wenig Personal, schlechte Bezahlung, mangelnde Unterrichtsqualität - Deutschtrainer für Flüchtlinge beklagen Missstände und prekäre Arbeitsbedingungen in privaten Bildungsinstituten.