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Flüchtlings-Obergrenzfrage

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die Diskussion in Europa um eine Flüchtlings-Obergrenze nimmt gehörig an Fahrt auf. In Deutschland ist dazu nun das Wort "Kontingent" aufgetaucht. Ein semantischer Trick, denn ein Kontingent ist eigentlich ein "zufallender Anteil", also etwas, worauf ein Anspruch besteht. Das klingt viel humaner als "Begrenzung der Zuwanderung", ist es aber nicht. Nun besteht Politik auch aus Symbolsprache, also wird diese Debatte vermutlich unter "Flüchtlings-Kontingente" weitergeführt werden.

Inhaltlich ändert sich freilich nichts. Wenn die europäischen Länder beschließen, dass eine fixierte Maximalzahl an Flüchtlingen bereits im Land ist, würde die Grenze geschlossen. Da jedes Land diese Grenze selbst festlegt, ist Chaos programmiert. Flüchtlinge auf der Balkan-Route überqueren - ab Türkei gerechnet - sieben Grenzen, wenn sie nach Deutschland wollen. Bis Schweden sind es neun, bis Österreich sechs.

Wohin das führt, ist jetzt schon in Ansätzen am Balkan zu sehen. Es führt in ein humanitäres Desaster, Menschen werden sterben.

Hartgesottenen Mitbürgern, denen das letztendlich egal ist (dazu zählt irgendwie auch der CSU-Chef), müssten aber wenigstens akzeptieren, dass Europa bzw. die Nationalstaaten damit das Problem bloß nach hinten verschieben. Wenn Mazedonien die Grenze schließt, müssen alle Flüchtlinge in Griechenland bleiben, oder über die Adria nach Italien reisen. Wer hilft dort? Wie viele werden beim Versuch ertrinken?

Denn die Fluchtursachen in Nahen und Mittleren Osten sowie die entsetzliche Situation in den Flüchtlingslagern rund um Syrien würden weiter bestehen.

Aus den Augen, aus dem Sinn - das wünschen sich viele. Es bleibt Selbstbetrug. Erst wenn die europäischen Länder (auch Österreich) UN-Hilfsorganisationen ausreichend dotieren, darf eine Diskussion um "Kontingente" beginnen.

Deren Umsetzung kommt überhaupt erst in Frage, wenn die EU ein taugliches Asylsystem vereinbart hat, an das sich alle 28 Mitglieder (und die Balkan-Länder) verbindlich halten. Von beiden Voraussetzungen ist Europa meilenweit entfernt.

Die Flüchtlinge aber jetzt schon im Nirgendwo auflaufen zu lassen, ist keine Frage der Sicherheit, sondern Barbarei. Damit würde Europa weit hinter die Aufklärung zurückfallen - und sich selbst ad absurdum führen.