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Flüchtlingshelferin: "Müssen aus 2015 lernen"

Von Martin Tschiderer

Politik

Doro Blancke fordert unter anderem eine höhere Zuverdienstgrenze für ukrainische Vertriebene - und gleiche Erwerbsmöglichkeiten für Asylwerber.


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Doro Blancke hat Erfahrung mit geflüchteten Menschen. Und zwar mehr als die meisten in Österreich. Seit vielen Jahren ist die Menschenrechtsaktivistin unermüdlich im Einsatz für Geflüchtete und Vertriebene, seit 2021 auch als Geschäftsführerin des Vereins "Flüchtlingshilfe/refugee assistance - Doro Blancke". Erst am Montag hat sie wieder ein Flugzeug nach Griechenland bestiegen - den Großteil des Jahres verbringt Blancke auf Lesbos, wo sich das größte Flüchtlingscamp der EU befindet. Aktuell sind dort rund 1.700 Menschen untergebracht.

"Ich finde es fantastisch, dass die Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen aus der Ukraine so groß ist", sagt Blancke zur "Wiener Zeitung". Es sei aber wichtig, jetzt die richtigen Schlüsse aus den Erfahrungen der großen Flüchtlingsbewegungen ab 2015 zu ziehen. Zentral sei nun insbesondere, in eine möglichst gute Integration zu investieren, sagt Blancke. "In einigen Wochen oder Monaten könnte die Stimmung gegenüber Menschen aus der Ukraine schon weniger herzlich sein", so Blancke. Einschlägige politische Akteure würden sich bereits darauf vorbereiten, um davon zu profitieren.

"Diese Menschen sind traumatisiert"

Für gelungene Integration sei nun gute Organisation nötig. So sei auch wichtig, dass es in jedem Bundesland eine Anlaufstelle für psychologische Betreuung gebe. "Das sind Menschen, die aus dem Krieg flüchten und alles hinter sich lassen mussten", sagt Blancke. "Sie sind traumatisiert."

Auch die Integration der Kinder und Jugendlichen in die Schulen und der Erwachsenen in den Arbeitsmarkt wird entscheidend sein. Aus der Ukraine Geflüchtete dürfen in der Grundversorgung künftig statt 110 Euro einen höheren Betrag dazuverdienen, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) vergangene Woche. Also mehr als andere Schutzsuchende und Asylwerber. Es werde in Richtung Geringfügigkeitsgrenze von 485 Euro gehen, so Karner.

AMS-Chef Johannes Kopf forderte inzwischen, die geplante Ausgestaltung der Regelung zu überdenken, um nicht eine mögliche "Inaktivitätsfalle" am Arbeitsmarkt entstehen zu lassen. Blancke fordert bei der Ausarbeitung einer neuen Regelung, auch alle anderen Asylwerber gleichzustellen, um ihnen ebenfalls eine Integration über den Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Und noch einen Punkt spricht Blancke an: "Man soll jetzt nicht den Fehler machen, zu kommunizieren: Die Menschen aus der Ukraine gehen alle wieder zurück, wenn der Krieg vorbei ist." Die mit ihren Kindern geflüchteten Frauen, mit denen sie spreche, würden nur selten den Wunsch äußern, nach Kriegsende wieder in die Ukraine zurückzukehren. Die meisten würden darauf hoffen, ihren Ehemann später nach Österreich nachholen zu können. "Viele werden aber auch Witwen sein", sagt Blancke.

Gleichzeitig gerate über den Krieg in der Ukraine fast in Vergessenheit, dass nach wie vor ein paar Tausend Menschen an den EU-Außengrenzen in Flüchtlingscamps ausharren. "Da brechen momentan auch die Spenden ein", sagt Blancke. An die EU-Außenlager denken angesichts der aktuellen Lage in der Ukraine derzeit deutlich weniger Menschen.

Auch 100 Familien aus EU-Außenlagern aufnehmen

Dabei hätten viele Menschen etwa im Camp auf Lesbos bereits Asylstatus zugesprochen bekommen und würden aktuell auf ihre Asylpapiere warten. "Wir müssen auch an den Außengrenzen helfen", sagt Blancke. Die Unterstützung in den Camps dürfe aber nicht auf dem Rücken der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer stattfinden - und umgekehrt. "Es darf jetzt nicht zu einer Spaltung unter den Flüchtlingen kommen", sagt Blancke.

Bei Geflüchteten von außerhalb Europas habe zuletzt der politische Wille zur Aufnahme gefehlt, kritisiert sie. "Was an Hilfe machbar ist, sieht man jetzt bei den Menschen aus der Ukraine." 100 Familien aus den EU-Außenlagern könne und solle Österreich auch jetzt aufnehmen. Eine Forderung, die etwa auch die Österreichische Bischofskonferenz und die Caritas bereits erhoben haben.

Diese Zahl von 100 Familien - also insgesamt einigen hundert Menschen - nimmt sich vergleichsweise tatsächlich gering aus. Zur Einordnung: Seit Russlands Überfall auf die Ukraine wurden laut Zahlen des Bundeskanzleramts (BKA) von Donnerstag insgesamt 42.000 Menschen aus der Ukraine in Österreich registriert und haben damit einen Vertriebenenstatus erhalten. Alleine vergangenen Mittwoch wurden demnach bundesweit rund 2.000 Ukrainerinnen und Ukrainer registriert. Fachleute rechnen aber damit, dass insgesamt mehr als 200.000 Menschen aus der Ukraine in Österreich Schutz suchen könnten.

Spendenhinweis:

Flüchtlingshilfe/refugee assistance – Doro Blancke

AT93 3842 0000 0002 7516

www.doroblancke.at