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Verwackelte Bilder. Eine aufgeregte Flüchtlingsbetreuerin, die mit einem Polizisten streitet. Ein Mannschaftswagen der Polizei, das Kennzeichen groß im Bild. Drinnen zwei kleine Mädchen, die verschreckt einen kleinen blauen Koffer in den Wagen einschlichten.
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So gesehen am Mittwoch auf der Internetplattform Wientv.org, die sich "Zivilgesellschaftliches Engagement" auf die Fahnen heftet. Stellt sich die Frage: Ist es zivilgesellschaftliches Engagement, Volksschulkinder in einer äußerst schwierigen Situation, nämlich bei der Abholung durch die Polizei vor einer drohenden Abschiebung, abzufilmen und der Öffentlichkeit zu präsentieren?
Der Verein Purple Sheep hat Mitte September das "Freunde-schützen-Haus" in Wien-Meidling eröffnet, dort werden Familien untergebracht, die kurz vor der Abschiebung stehen. Karin Klaric, Rechtsberaterin und Mitinitiatorin des Projekts, erklärte bei der Auftaktpressekonferenz, die Überprüfungen der "gut integrierten Familien, deren Asylverfahren aus ist", durch die Polizei würden oft über Schikane hinausgehen. Das Haus diene daher auch dazu, die Situation zu dokumentieren. Ein erklärtes Ziel des Projekts ist es also, breitenwirksam auf das Schicksal der Flüchtlinge aufmerksam zu machen.
Das ist spätestens seit der spektakulären Videobotschaft von Arigona Zogaj im Jahr 2007 gängige Praxis - immer wieder werden Einzelschicksale vor den medialen Vorhang geholt. Auch am Mittwoch hat der Verein Purple Sheep zahlreiche Medien über die bevorstehende Polizeiaktion informiert - mit entsprechendem Erfolg.
Sicherlich mag es sinnvoll sein, die Gesellschaft auf derlei tragische Fälle aufmerksam zu machen und damit gegen die als zu hart empfundene Asylgesetzgebung zu protestieren. Allerdings ist auch klar, dass ein solches Vorgehen den Betroffenen meist weniger nutzt als schadet. So sind sich die Beobachter darin einig, dass das Innenministerium still und leise eine Lösung für die Zogajs gefunden hätte, durch den Medienrummel aber derart ins Eck gedrängt wurde, dass dies ohne Gesichtsverlust nicht mehr möglich war.
Es ist verständlich, dass Menschen, die um jeden Preis in Österreich bleiben wollen, auch jeden Strohhalm ergreifen. Es ist auch verständlich, dass ihre Helfer sie dabei größtmöglich unterstützen. Daraus allerdings Publicity zu schlagen und kleine Kinder, die nicht wissen, wie ihnen geschieht, vor die Kamera zu zerren, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack und scheint weniger mit Hilfe als mit Aktionismus zu tun zu haben.
Siehe auch:Kosovarischer Familie droht nach sechs Jahren im Land die Abschiebung