Aktionsplan zur Eindämmung der illegalen Migration vereinbart.
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Brüssel. Ahmet Davutoglu wiederholte es ein paar Mal. "Es ist ein historischer Tag", sagte der türkische Ministerpräsident, als er am Sonntag zum Gipfeltreffen mit seinen Amtskollegen aus der EU eintraf – und als er kurz darauf am Tisch mit den 28 Staats- und Regierungschefs zusammensaß, gleich nochmals.
Denn für die Türkei ging es um mehr als einen von der EU angestrebten Aktionsplan zur Eindämmung der Flüchtlingsbewegungen. Beschlossen ist nämlich, den gesamten Beitrittsprozess des Kandidatenlandes "mit neuer Energie" weiterzuführen – eine Formulierung, die Davutoglu ebenfalls gut gefiel.
Neues Kapitel in den Beitrittsverhandlungen
So soll schon in zwei Wochen ein weiteres Kapitel in den Verhandlungen um eine mögliche Mitgliedschaft aufgeschlagen werden: jenes rund um die Wirtschafts- und Währungspolitik. Danach, Anfang des kommenden Jahres, soll die EU-Kommission "die Vorbereitungsarbeiten für die Eröffnung einer Reihe von Kapiteln" abschließen – "unbeschadet der Position der Mitgliedstaaten", wie es im Schlussdokument des Gipfels heißt. Denn die Haltung mancher Länder zu den Beitrittsgesprächen mit der Türkei ist von viel Skepsis geprägt. Zypern beispielsweise, dessen Territorium seit dem Einmarsch türkischer Truppen vor gut vierzig Jahren zweigeteilt ist, blockiert seit Jahren einige Verhandlungsbereiche.
Doch die Flüchtlingskrise hat neuen Schwung in die Beziehung zur EU gebracht. Denn bei der Sicherung ihrer Außengrenzen sind die Europäer auf die Unterstützung ihrer Nachbarn angewiesen – vor allem auf die Hilfe der Türkei, wohin schon an die zwei Millionen Syrer geflohen sind. Das Land soll sich nun verpflichten, "die irreguläre Migration einzudämmen" sowie ein Abkommen zur Rückführung von Asylwerbern umzusetzen. Wer also laut diesem Vertrag kein Recht auf internationalen Schutz hat, soll künftig rasch in die Türkei und von dort in sein Herkunftsland zurückgeschickt werden. Umgekehrt könnte die Union im Rahmen einer EU-weiten Umverteilung Asylwerber von der Türkei übernehmen. Die Zahl der Menschen ist aber offen.
Visafreiheit für Grenzschutz
Für die Betreuung der Flüchtlinge in der Türkei selbst will die EU jedenfalls drei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das Geld soll innerhalb von zwei Jahren etwa in Gesundheitsversorgung und Ausbildung fließen. Dass es später weitere Finanzmittel gibt, ist nicht ausgeschlossen. Zunächst einmal müssen die Mitgliedstaaten aber den Großteil der drei Milliarden Euro aufbringen; die genauen Beiträge sollen in wenigen Wochen fixiert sein.
Ein weiteres gewichtiges Anliegen der Türken könnte ebenfalls bald erfüllt werden. Seit Jahren schon pocht die Regierung in Ankara auf Visumfreiheit für ihre Landsleute bei Reisen in die Union. Der Prozess der Visaliberalisierung soll nun beschleunigt werden. Den entsprechenden Bericht soll die EU-Kommission auf März des kommenden Jahres vorziehen, und im Herbst könnte die letzte Beurteilung folgen. Das bedeutet, laut Gipfelerklärung, "die Abschaffung der Visumpflicht für türkische Staatsangehörige im Schengen-Raum spätestens im Oktober 2016, sobald die Anforderungen des Fahrplans erfüllt sind".
Für die EU wiederum ist vor allem der Schutz ihrer Außengrenzen von Bedeutung. Die Wichtigkeit dessen betonten nach der Sitzung sowohl EU-Ratspräsident Donald Tusk als auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Den Aktionsplan mit der Türkei bezeichnete sie als Baustein dazu. Dass dabei so vieles zu erreichen sei, hätten vor einigen Wochen noch viele nicht geglaubt, stellte Merkel fest. Und schon in 14 Tagen soll es eine erste Überprüfung der vereinbarten Maßnahmen geben. Ein Treffen mehrerer Länder dazu – unter anderem Österreich und Deutschland, sowie Griechenland und die Türkei – kündigte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann an.
Stärkung des Rechtsstaats
Die Bedenken mancher Mitglieder sollen aber nicht vergessen werden, meinte er. So seien die Stärkung des Rechtsstaates, die Wahrung der Menschenrechte oder der Friedensprozess mit den Kurden weiterhin Forderungen der Europäer. Aufrecht bleibe sogar die Option einer so genannten privilegierten Partnerschaft, die Österreich lange Zeit einer EU-Mitgliedschaft der Türkei vorgezogen hat.
Das Konzept hat die Türkei aber immer abgelehnt. Auch beim Gipfel war davon nicht die Rede. Premier Davutoglu zeigte sich stattdessen optimistischer denn je, dass ein EU-Beitritt seines Landes näher rückt. Sollte das Zypern-Problem gelöst werden, könnte eine Aufnahme schon "in einigen Jahren" erfolgen.