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"Fluchtpunkt für Steuersünder"

Von Herbert Hutar

Politik

Wifo-Chef Aiginger: Geheimnis aufheben und Schützenswertes definieren.


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Wien. Österreichs Bankgeheimnis, versehen mit einem ähnlich hohen Stellenwert wie die Neutralität, wird immer wieder attackiert, meist aus dem Ausland. Jetzt reiht sich auch der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), Karl Aiginger, unter die Kritiker ein. "Österreich steht international und vor der EU als Fluchtpunkt für Steuersünder am Pranger", sagte er am Montag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Sein Vorschlag: Das Bankgeheimnis in der bestehenden Form kippen, einen Neustart ins Werk setzen und Schützenswertes - etwa im privaten Bereich - als Ausnahmen von der neuen Transparenz einzeln festlegen. Welche Bereiche das sein könnten, müsste die Politik sagen.

Aigingers Ziel: weniger Schutz für Steuersünder - auch im Inland. Dazu könnte ein zentrales Bankkontenregister dienen, wie es kürzlich die neue Chefin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, gefordert hatte.

Österreich leistet dem Druck aus dem Ausland Widerstand. Zuletzt hatte EU-Währungskommissar Olli Rehn das Festhalten Österreichs am Bankgeheimnis kritisiert: "Es ist wichtig, alles zu tun, um Steuerflucht und Geldwäsche einzudämmen", sagte er, "das erwarten wir von jedem einzelnen Mitgliedsstaat." Zuvor hatte EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta ein Umdenken in Österreich und in Luxemburg und einen automatischen Datenaustausch mit den übrigen EU-Ländern gefordert. Im Hintergrund steht ein geplanter Vertrag Österreichs mit den USA: Demnach sollen im Rahmen des amerikanischen Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca) ausländische Banken verpflichtet werden, Konten von US-Bürgern der US-Steuerbehörde zu melden. Verhandlungen mit den USA bereitet Österreich vor, die Gespräche sollen noch heuer, aber wohl erst nach der Nationalratswahl beginnen.

Datenweitergabe nur an USA eine Vertragsverletzung

Sollten diese Verhandlungen zu einem positiven Ende kommen, sieht EU-Kommissar Semeta eine Möglichkeit, Österreichs Bankgeheimnis zu knacken: Wenn Kontoinformationen an die USA weitergegeben werden, nicht aber an EU-Länder, so wäre das laut dem Kommissar eine Vertragsverletzung im Sinne einer den EU-Ländern verweigerten Gleichbehandlung. Österreich könnte sich so ein Vertragsverletzungsverfahren einhandeln, dessen Ende auch das Ende des österreichischen Bankgeheimnisses wäre. Semeta kritisiert - wie andere in der EU-Kommission auch - Österreichs bilaterale Schwarzgeldabkommen mit der Schweiz und mit Liechtenstein abseits der EU.

All diese Vorstöße hat Finanzministerin Maria Fekter bisher abgewehrt. Sie sagte auf die Kritik von Steuerkommissar Semeta: "Wir bekommen heuer schon Geld von der Schweiz, demnächst von Liechtenstein. Die Beibehaltung des Bankgeheimnisses, kein automatischer Datenaustausch, aber eine effiziente Besteuerung, ist allemal effizienter als das angepeilte System. Wir haben nichts dagegen, uns die Zinsrichtlinie im Hinblick auf Lücken, die es gibt, anzusehen. Aber wir akzeptieren nicht einen automatischen Datenaustausch und nicht die Aufhebung des Bankgeheimnisses." Dies würde nämlich "schlagartig die Schweiz zum Paradies in Europa werden lassen, ebenso wie kleine Staaten wie San Marino, die Kanalinseln oder Monte Carlo. Die hätten dann einen Standortvorteil, die EU aber keinen Nutzen", unterstrich die Ministerin.

"Irgendwann istdie Luft draußen"

Der Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Klaus Hübner, meinte, Wien werde sich mit Hinweis auf das Bankgeheimnis nicht ewig gegen einen automatischen Informationsaustausch bei ausländischen Kontodaten auf EU-Ebene zur Wehr setzen können. "Irgendwann ist die Luft draußen", sagte er mit Blick auf die Schweizer Großbank UBS und die USA. Und Aiginger: "15 Jahre nach dem EU-Beitritt muss ein Umdenken erlaubt sein, wenn sich Steuerflucht und Geldwäsche zu einem europaweiten Problem entwickelt haben", sagte dieser auf den Einwand, beim EU-Beitritt habe die Regierung den Österreicherinnen und Österreichern ein Festhalten am Bankgeheimnis zugesichert. Nur: Wer Österreichs Bankgeheimnis beseitigen will, braucht einen langen Hebel: Es ist in der Verfassung verankert und kann daher nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit aufgehoben werden. Oder aber der Europäische Gerichtshof sagt, das österreichische Bankgeheimnis sei mit EU-Recht unvereinbar.