Von der neuen "Denied Boarding-Verordnung" der EU sind Netzwerkcarrier und Low-cost-Airlines gleichermaßen betroffen. Sie schreibt Fluggesellschaften ab Februar 2005 deutlich höhere Entschädigungen an Passagiere bei Überbuchungen oder Flugausfällen vor. Gezahlt werden muss auch in Fällen höherer Gewalt, was bei den Fluglinien auf besonders heftige Kritik stößt. AUA, Lufthansa & Co hoffen nun auf den Erfolg einer IATA-Klage, die die neue Verordnung aufs Korn nimmt.
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In dieser Form werde diese Verordnung nicht stehen bleiben, waren sich Robert Wolfger, Leiter der Verkehrspolitik der Austrian Airlines und Bernhard Brauneder, Österreich-Direktor der Deutschen Lufthansa, bei einer von der Austrian Business Travel Association (ABTA) veranstalteten Diskussion, einig. Die von der EU veröffentlichte, ab dem kommenden Jahr gültige "Denied Boarding-Verordnung" will die Passagierrechte in der Union stärken und sorgt für gehörige Turbulenzen in der Luftfahrtsbranche.
Fluggesellschaften müssen dann auch bei Verspätungen in Fällen "höherer Gewalt" zahlen, was Netzwerkcarrier und Low-cost-Airlines gleichermaßen unter Druck bringt. Wolfger und Brauneder hoffen nun auf den Erfolg der Klage des Internationalen Luftfahrtverbands (IATA), der die neue Verordnung im Widerspruch zur geltenden Montreal-Convention sieht. Ursprünglich habe die EU-Kommission die Entschädigungssätze bei Überbuchungen verfünffachen wollen. Geblieben sei eine Verdoppelung, die angesichts der sinkenden Margen der Fluggesellschaften immer noch unverhältnismäßig sei. Komme die Verordnung in dieser Form, würden die Ticketpreise sicherlich steigen, so Wolfger.
Ab 2005 müssen Fluggesellschaften bei Überbuchungen, Verspätungen und Flugausfällen bei Langstreckenflügen von mehr als 3.500 Kilometern 600 Euro, bei Flügen zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern 400 Euro und bei kürzeren Strecken 250 Euro an Passagiere zahlen. Entschädigungen fallen bei Wartezeiten auch für Speisen und Getränke, Telefonrechnungen, anderweitige Beförderungen sowie Hotelkosten an. Laut EU-Kommission sind es in der EU etwa 250.000 Passagiere, die jährlich alleine wegen Überbuchung abgewiesen werden, das EU-Parlament errechnete 1,1 Millionen Passagiere.
Bessere Konsumentenrechte
Als Mitglied des Europaparlaments verteidigte Ursula Stenzel die vom Europaparlament mitentschiedene Verordnung. Verspätungen nehmen bei Flügen oft unakzeptable Ausmaße an, meinte Stenzel. Zudem hätten Fluggesellschaften die Tendenz, Passagiere über die Ursachen von Verspätungen im Unklaren zu lassen. "Mit der Verordnung wollte das Europaparlament die Konsumentenpolitik, im konkreten Fall die Passagierrechte in den Vordergrund stellen, dabei aber den Wettbewerb fair gestalten", so Stenzel. Dass die Miteinbeziehung von Verspätungen infolge "höherer Gewalt" in die Verordnung problematisch sei, wollte Stenzel nicht abstreiten. Es gehe aber um das Aufzeigen der Schwachstellen im europäischen Flugverkehr - laut Stenzel liegen sie vor allem in der europäischen Flugüberwachung, - und längerfristig um ein europäisches Gesetzeswerk, das einen einheitlichen Luftraum ermögliche.
Wolfger wie Brauneder sehen gleichfalls die zersplitterte europäische Air Traffic Controll als erste Ursache für Verspätungen. Dazu kämen aber auch die ständig steigenden Sicherheitsanforderungen, die Notwendigkeit von Datenübermittlungen und technische Probleme, Wetter, Abfertigung und Handling am Airport. "Für gut 80% der Verspätungen kann man uns Fluggesellschaften nicht verantwortlich machen", sagte Brauneder. Laut einer Erhebung von Eurocontrol liegen "nur" rund 50% aller Verspätungen außerhalb der Einflussnahme der Fluggesellschaften.