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Prag - "Die EU hilft uns, als wären wir schon Mitgliedsland", freute sich der tschechische Premier Vladimir Spidla schon am vorvergangenen Sonntag in Berlin. Romano Prodi hatte sich dort zu einem Mini-Gipfel mit Vertretern der am schwersten von den Hochwassern betroffenen Ländern getroffen; kurz zuvor hatte Brüssel 58 Mill. Euro Hilfsgelder für Prag locker gemacht. Die Summe mag angesichts der Schäden von rund 2 Mrd. Euro in dem Land nicht allzu üppig sein. Trotzdem setzte das Geld bei den Menschen in Tschechien ein Zeichen: Die als unflexibel verschrieene Organisation in der fernen westeuropäischen Hauptstadt handelte im konkreten Notfall plötzlich sehr zügig.
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"Die schnelle Reaktion zeigt, dass es sich bei der EU nicht nur um ein bürokratisches Ungetüm handelt, wie Euroskeptiker behaupten", sagt der tschechische Präsident Vaclav Havel. Ein Seitenhieb auch auf die Opposition im Prager Parlament, die bei den letzten Wahlen mit europafeindlichen Sprüchen auf Stimmenfang ging. Zwar blicken die Menschen in Böhmen und Mähren - wie im Nachbarland Polen - einem EU-Beitritt nicht unbedingt ablehnend entgegen. Immer noch sind 17 Prozent von ihnen aber kategorisch gegen einen solchen Schritt. 21 Prozent haben sich bisher nicht entschieden.
Der deutsche Außenminister Joschka Fischer betonte vor wenigen Tagen ebenfalls die positiven Effekte der Überschwemmungen für das Zusammenwachsen Europas. "Wenn Brüssel jetzt energisch handelt, ist diese Katastrophe auch eine Chance, dass die Menschen eine andere Sicht auf Europa bekommen", sagte Fischer in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Nun müsse gezeigt werden, dass dieses Europa "nicht nur im fernen Brüssel sitzt, sondern helfen kann und hilft, wenn es konkret wird", betonte Fischer.
EU lässt einmalige Chance nicht ungenutzt verstreichen
Nicht zuletzt EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hat die Vorteile der Naturkatastrophe ebenfalls schnell erkannt. Gerne nahm er Vaclav Havels Einladung an und besuchte das in den Fluten der Moldau versinkende Prag. "Wir gehören alle zur selben Familie", sagte er dort, bevor er mit warmen Worten die Wohltaten der EU ausführte.
Am Sonntag war EU-Kommissionspräsident Romano Prodi dann Mittelpunkt des symbolischen Berliner Hochwasser-Gipfels. An seiner Seite die Regierungschefs zweier etablierter EU-Staaten - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und sein deutscher Amtskollege Gerhard Schröder - sowie mit Vladimir Spidla und dessen slowakischem Kollegen Mikulas Dzurinda die Ministerpräsidenten zweier hoffnungsfroher Beitrittsländer.
Spidla sprach den Text zu dem trauten Bild, das sich eigentlich selbst erklärte. "Die EU-Osterweiterung ist heute schon Realität", gab er begeistert zu Protokoll.