Die Aufsichtsbehörde sieht Banken und Versicherer vor "großen Herausforderungen", aber dafür "gut gerüstet".
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Seit März sind mittlerweile drei Regionalbanken in den USA, darunter die Silicon Valley Bank, kollabiert. Aufgrund einer verfehlten Geschäftspolitik wurden ihnen die rasant gestiegenen Zinsen nach vielen Jahren der Null- und Negativzinsen zum Verhängnis. In Europa wiederum war es die schon vorher mit Problemen kämpfende Credit Suisse, die nur dank einer vom Schweizer Staat initiierten Übernahme durch die UBS gerettet werden konnte. Mit Blick auf die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor meinen einige Beobachter jedenfalls, dass das noch nicht alles gewesen sein könnte. Doch die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) scheint das relativ kalt zu lassen. Sie sieht derzeit keine Gefahr für eine systemische Krise.
Die heimische Finanzwirtschaft sei "stabil und krisenfest aufgestellt", betonten die FMA-Chefs Helmut Ettl und Eduard Müller am Dienstag bei der Präsentation ihres Jahresberichts für 2022. Dass Österreichs Banken vor "großen Herausforderungen" stehen, räumten sie freilich ein: "Wir sehen in der Parallelität von gravierenden geopolitischen sowie weltwirtschaftlichen Unsicherheiten und hoher Inflation, abrupter Zinswende sowie signifikant abflauender Konjunktur eine gefährliche Mischung, die der höchsten Aufmerksamkeit bedarf."
Für Dividenden mit Augenmaß
Vor diesem Hintergrund appellierten Ettl und Müller an Banken, aber auch an Versicherer, bei der Zahlung von Dividenden mit Augenmaß und in Abstimmung auf das wirtschaftliche Umfeld, vorzugehen. Die multiplen Krisen der vergangenen Jahre hätten die heimischen Geldinstitute zwar gemeistert. Das Mantra der Aufseher - "Nach der Krise ist vor der Krise" - sei heute jedoch wohl aktueller denn je, gaben die beiden FMA-Vorstände zu bedenken.
Grundsätzlich sehen die obersten Finanzsheriffs des Landes die heimischen Banken und Versicherer für die kommenden Herausforderungen allerdings "gut gerüstet". Aktuelle Daten zeigten, dass die richtigen Lehren aus der globalen Finanzkrise 2008/09 gezogen worden seien.
Aus dem Jahresbericht der FMA geht hervor, dass die Kernkapitalquote der Banken 2022 mit durchschnittlich 16,3 Prozent doppelt so hoch war wie vor der Finanzkrise. Gleichzeitig war der Anteil fauler Kredite am gesamten Darlehensbestand mit Werten von 1,3 bis 1,8 Prozent weiterhin relativ niedrig.
Gut kapitalisiert scheinen auch die Versicherer zu sein. Der FMA zufolge steht ihnen mit einer durchschnittlichen Solvenzquote von 245 Prozent mehr als das Doppelte an Finanzmitteln von dem zur Verfügung, was bei einer dramatischen Verschlechterung der ökonomischen Rahmenbedingungen zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen erforderlich wäre.
Vorsicht bei Immo-Krediten
Indes rät die FMA den Banken zu weiterer Zurückhaltung bei der Vergabe von Wohnimmobilienkrediten. "Wenn Immobilienpreise jährlich um 10 Prozent steigen und sich die Preishöhe gegenüber den Einkommen doppelt so stark entwickelt, dann ist das ein Alarmzeichen", warnte Müller. Gerade in der Nullzinsphase der vergangenen Jahre sei das Volumen der Immobilienkredite enorm angeschwollen. Gleichermaßen seien aber Warnungen der FMA vor einer Überhitzung des Markts beziehungsweise Empfehlungen für eine vorsichtigere Vergabe von den Kreditinstituten zunehmend ignoriert worden. Dass die Vergabe seit dem Vorjahr durch eine eigene Verordnung strenger reguliert wird (wenngleich die Regeln inzwischen leicht abgemildert wurden), findet Müller daher positiv. Der FMA geht es darum, private Haushalte vor der Schuldenfalle zu bewahren und Banken vor einer möglichen Vielzahl an Kreditausfällen zu schützen. Rufen der Branche nach weiteren Lockerungen der Regeln erteilten die Finanzwächter am Dienstag eine Absage.
RBI und Russland
Existenziell nicht bedroht sieht die FMA die Raiffeisen Bank International (RBI), das Flaggschiff des Raiffeisen-Bankensektors, durch die starke geschäftliche Verbindung zu Russland und den möglichen Rückzug aus diesem Markt. Ettl meinte aber, dass der RBI durch einen potenziellen Verkauf oder eine potenzielle Abspaltung der Russland-Tochter ein "schmerzhafter Prozess" bevorstehe. Teure Abschreibungen stehen dabei im Raum. Aber selbst ein Worst-Case-Szenario sollte die RBI überstehen können, wie Ettl erklärte. Die Entwicklungen rund um die Bank und ihre Russland-Verflechtung würden die Stabilität des österreichischen Finanzmarkts somit keinesfalls gefährden.
Im Vorjahr hat die FMA mit etwas mehr 400 Beschäftigten 905 konzessionierte oder registrierte Unternehmen des österreichischen Finanzsektors - Banken, Versicherer, Pensionskassen und Wertpapierdienstleister - beaufsichtigt, die zusammen Vermögenswerte von rund 1.345 Milliarden Euro verwalteten. Zunehmend gefordert sieht sich die Behörde in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit, die sie bei ihren Aufsichts- und Prüfaktivitäten stärker unter die Lupe nimmt. Für ihre Tätigkeiten stand der FMA 2022 ein Budget von 78,4 Millionen Euro zu Verfügung.