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Föderalismus braucht eine Reform

Von Eva Steinkellner

Politik

Die Diskussion um die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern kommt nicht zum Stillstand: Die Abschaffung der Bundesländer gerät immer mehr zu einer Radikalidee, dem Ruf nach einer Kompetenzerweiterung steht ein zentralistisches Modell gegenüber. Das Ergebnis unserer Fessel-Umfrage zeigt jedenfalls, dass die österreichische Bevölkerung den Dezentralismus nicht nur beibehalten will, sondern teilweise sogar ausbauen möchte.


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Detailresultate der Untersuchung zeigten weiters, dass 45 Prozent der SPÖ-Wähler, noch knapp vor den ÖVP-Wählern, für mehr Länderrechte plädieren. Für eine Kompetenzerweiterung sprach sich ein Viertel der Niederösterreicher aus, in der Steiermark und Kärnten waren es hingegen mehr als doppelt so viele.

Über alle Altersgrenzen hinweg zeigte sich, dass eine Aufwertung der Bundesländer gewünscht wird, wenn die Frage gestellt wird, ob Bundesländer im Vereinigten Europa noch zeitgemäß sind. In Wien tritt allerdings auch mehr als ein Drittel für die Zusammenlegung der Länder ein. 74 Prozent der SPÖ-Wähler votierten für die Aufwertung der Bundesländer, aber nur 56 Prozent der ÖVP-Anhänger.

Mehr Föderalismus

Ersichtlich wurde also, dass eine Aufwertung der Länder im Zusammenhang mit einem vereinten Europa durchaus vertreten wird und immerhin 44 Prozent der österreichischen Bevölkerung für eine Kompetenzerweiterung gegenüber dem Bund votieren. Auch Politiker aller Couleur drängen auf eine Neuaufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Der Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger fordert eine Stärkung der Länder und Gemeinden mit gleichzeitiger Verschlankung der zentralistischen Verwaltung. Auf Bundesebene sollten nur die notwendigsten Zuständigkeiten vorgenommen werden, alles andere den Ländern obliegen.

Ähnliche Vorstellungen vertritt Jürgen Weiss, Präsident des Bundesrates, der vor allem die administrativen Doppelgleisigkeiten aus der Welt schaffen will: "Da hat beispielsweise jede Landesregierung ihren Schulrat und dann gibt es noch Schulräte vom Bund." Die schwerfällige Verwaltung in Österreich ist laut Weiss nur mit einer Kompetenzerweiterung der Länder zu beheben. Dass neun verschiedene Bauordnungen nicht nur die Wirtschaft behindern, sondern auch die Bürokratie verlangsamen, ist für Weiss nicht nachvollziehbar. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall: "So hat jedes Land die Bauordnung, die an die jeweilige Situation angepasst ist." Christoph Chorherr, Klubobmann der Wiener Grünen, ist mit dieser Regelung nicht einverstanden: Er plädiert für die Abgabe des Baurechts an den Bund. "Überhaupt kann man die Bundesländer grundsätzlich in Frage stellen", meint der Klubobmann. Auch der steirische Landesrat Gerhard Hirschmann, prononcierter Föderalismus-Kritiker, will nur "eine Bauordnung für ganz Österreich". Gegenüber der "Wiener Zeitung" plädiert er dafür, die Verwaltung generell zu vereinheitlichen. Waltraud Klasnic, Landeshauptfrau der Steiermark, hingegen will sich nur für eine "überregionale Zusammenarbeit" stark machen und meint, dass "die Gesetzgebung der Länder genau nur in diesen Bereichen verankert ist, wo sie Sinn macht", nämlich dort, wo die unterschiedlichen landesspezifischen Bedürfnisse liegen.

Eine Reform der Länder-Bund-Kompetenz muss her, in diesem Punkt herrscht Einigkeit. Denn obwohl Studien den Föderalismus durchaus als ein kostengünstiges System einstufen, ist die österreichische Struktur zu teuer.

Das Einsparungspotential in der Verwaltung ist enorm, so Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Seine Schätzungen liegen bei 50 Mrd. S, was einer Reduzierung der Verwaltungskosten um etwa 20 Prozent entspricht. "Das Schlüsselwort heißt kooperativer Föderalismus (die Überwindung strikter Bereichstrennungen, wie in Bereichen des Umweltschutz oder der Raumordnung, Anm.)", erklärt Leitl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Problemlösung liege nicht im Wegfallen von vertikalen Ebenen, sondern in der Zusammenarbeit von horizontalen Ebenen.

Keine legislative Kompetenz?

Dagegen plädiert Theodor Öhlinger, Vorstand des Institutes für Staats- und Verwaltungsrecht, für mehr Zentralismus."Die Gesetzgebung sollte ausschließlich Bundessache sein, dafür könnte bei den Ländern mehr Spielraum in der Durchführung der Gesetze geschaffen werden, über das momentane Maß hinaus", erklärte der Rechtsexperte gegenüber der "Wiener Zeitung". Die Erhaltung der Bundesländer habe auch positives Potential, aber ihre legislative Kompetenz könnte man problemlos weglassen. Ein Vorschlag, der eine Verfassungsänderung nach sich zöge. Die Abschaffung der Bundesländer bräuchte sogar eine Volksabstimmung. Der "klassische" Bundesstaat wäre damit jedenfalls auch am Ende, denn Öhlingers Ansatz mündet in eine hierarchische Ordnung.