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"Föderalismus ist sehr zeitgemäß"

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Forderung nach einem absoluten Veto für den Bundesrat. | Steuerhoheit brächte Wettbewerb. | Vor Parteitag: ÖVP muss Vertrauen zurückgewinnen. | "Wiener Zeitung": Herr Landeshauptmann, in welchem Zustand sehen Sie den Föderalismus in Österreich? | Josef Pühringer: Der Föderalismus wurde in den letzten Jahren zu Unrecht in ein Eck gestellt, wo er nicht hingehört. Wir haben in den letzten Monaten gezeigt, dass die Länder keine Reformverweigerer sind.


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Gerade in Zeiten der Globalisierung ist Föderalismus ganz wichtig, denn die Sehnsucht der Menschen nach Heimat ist groß. Die Menschen fühlen sich zuerst als Oberösterreicher, Niederösterreicher, Steirer, erst dann als Österreicher und Europäer. In vielen Fällen ist auch die Problemlösung umso besser, je näher sie beim Bürger ist. Natürlich gibt es Themen, die auf Bundesebene gehören, wie Währung, Landesverteidigung oder Außenpolitik. Aber der Föderalismus ist sehr zeitgemäß.

Von Seiten der Länder ist geplant, die Kompetenzen des Bundesrates auszubauen - und damit auch den Einfluss der Länder. Was soll da passieren?

Ich plädiere dafür, dass man aus dem Bundesrat eine wirkliche Länderkammer macht. Der Bundesrat braucht nicht zu allem und jedem gefragt werden, aber in den Fragen, wo es wirklich um Föderalismus geht, müsste man dem Bundesrat ein absolutes Veto geben.

Welche Bereiche wären das?

Zum Beispiel der Finanzausgleich, Fragen der Pflegefinanzierung - Fragen, die ursächlich die Länder und Gemeinden betreffen.

Und bei anderen Dingen könnte man den Bundesrat auslassen?

Ich glaube nicht, dass eine Länderkammer ein großes Interesse hat, bei irgendeinem Kulturabkommen mit Uruguay mitzubeschließen. Da wäre es weit besser, in den wirklich föderativen Fragen dem Bundesrat dafür eine echte Kompetenz zu geben.

Würde auch eine Steuerhoheit für die Länder den Föderalismus stärken?

Zunächst muss der Bund in einem Gutachten den Nachweis erbringen, dass es Sinn macht, den Ländern eine Steuerhoheit zu geben. Da gehen die Schulmeinungen ja auseinander. So gibt es etwa in der Schweiz einen Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsregionen über die Steuern. Auf der anderen Seite höre ich immer Klagen der Länder über neun verschiedene Bauordnungen und so weiter. Mit der Steuerhoheit bei den Ländern hätten wir neun verschiedene Steuergesetze - denn wenn, dann muss man es gescheit machen. Den Ländern nur Bagatellesteuern zuzuordnen, löst das Problem nicht.

Also Steuern, bei denen ordentlich etwas zu holen ist?

Natürlich - und wo ich auch einen Wettbewerb mit einem anderen Wirtschaftsraum einleiten kann.

Ihre Amtszeit als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz neigt sich dem Ende zu. Was ist Ihre Bilanz?

Wir haben das Pflegepaket zusammengebracht, den Stabilitätspakt mit der Schuldenbremse. Mit der heutigen Konferenz werden wir noch vieles einleiten. So wollen wir bezüglich der Landesverwaltungsgerichte ins Finale kommen. Wir werden auch eine Erklärung zu "Föderalismus im 21. Jahrhundert" abgeben.

Was ist da zu erwarten?

Dass wir deutlich machen, dass der Föderalismus keine überkommene Form ist, dass er innovativ und modern ist und dass wir den Föderalismus nicht mit Kleinstaaterei oder Kantönligeist gleichsetzen.

Pflegefinanzierung und Stabilitätspakt waren zwei jener Punkte, die Sie schon im Jänner angekündigt haben. Damals war auch von Verwaltungs- und Bildungsreform die Rede . . .

Da wird es auch noch Initiativen geben. So sind zum Beispiel die Verwaltungsgerichtshöfe ein Teil der Verwaltungsreform. Aber darüber werde ich erst nach der Konferenz mehr reden.

Wie steht es mit der Bildungs- und Schulreform?

Ich werde bis Ende Juni der Bundesregierung meinen Vorschlag zur Neuordnung der Schulverwaltung vorlegen.

Am Freitag ist ÖVP-Bundesparteitag. Was wünschen Sie sich von Neo-Parteichef Michael Spindelegger? Wohin soll die ÖVP gehen?

Die ÖVP muss erstens Vertrauen zurückgewinnen. Durch das Fehlverhalten von Abgeordneten (zum Beispiel Ernst Strasser, Anm.) ist Vertrauen verloren gegangen. Vertrauen verliert man relativ schnell, gewinnt es aber nur langsam wieder zurück. Es ist ein bitterer und harter Prozess, aber dem müssen wir uns stellen. Zweitens müssen wir uns inhaltlich akzentuieren. Wir müssen der Verteilungsgerechtigkeit, die in einem Sozialstaat selbstverständlich wichtig ist, auch eine Leistungsgerechtigkeit gegenüberstellen, damit die Leistungsträger nicht das Gefühl haben, sie seien die Draufzahler. Wir müssen uns klar zu Familie und Kindern positionieren und den Mittelstand wieder in den Mittelpunkt unserer Politik stellen.

Sie haben das Fehlverhalten von Abgeordneten angesprochen: Am Dienstag hat sich der oberösterreichische Abgeordnete Wolfgang Großruck im Parlament eine üble Entgleisung erlaubt (siehe Artikel unten). Was sagen Sie dazu?

Es war saublöd. Das hätte er nicht tun dürfen. Aber er hat sich entschuldigt. Ich kenne ihn, das ist nicht seine Geisteshaltung. Daher muss man die Entschuldigung akzeptieren.

Die Steirer fühlen sich innerhalb der ÖVP übergangen, etwa bei Ministerbesetzungen oder in im ÖAAB. Haben Sie dafür Verständnis?

Bei jeder Regierungsbildung gibt es welche, die sich mehr erwarten. Das liegt in der Natur der Sache und sollte man nicht überbewerten. Ich weiß, dass die steirischen Freunde am Freitag geschlossen hinter Spindelegger stehen werden.

Josef Pühringer, 61, ist seit 1995 Landeshauptmann von Oberösterreich. Seit Jänner steht er der Landeshauptleutekonferenz vor, in dieser Funktion folgt ihm mit 1. Juli Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller nach.