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Föderalismus: Was er soll, was er kann

Von Georg Friesenbichler

Politik

In Österreich schwach verankert. | Zu viel davon oder zu wenig? | Es sei "ein viel zu wenig bekanntes Faktum, dass es zwei Mal die Bundesländer waren, die 1918 und 1945 durch ihren freiwilligen Entschluss unsere Republik entstehen ließen", rühmte der damalige Bundespräsident Thomas Klestil 1995 bei einem Festakt die föderalistische Struktur Österreichs.


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Dieses von Klestil apostrophierte "Erfolgsgeheimnis des österreichischen Weges" ist freilich seit Jahren in der Diskussion. Die einen beklagen ein Zuviel, die anderen ein Zuwenig an Föderalismus. Und jeder scheint etwas anderes darunter zu verstehen.

" Föderalismus , (lateinisch foedus, Bund) Prinzip des Staatsaufbaus, nach dem die einzelnen Gliedstaaten (im Gegensatz zum Zentralismus) im Verhältnis zum Gesamtstaat über eine mehr oder weniger große Selbstverwaltung (Autonomie) verfügen". So oder ähnlich lautet die Definition in den Lexika.

Sie sagt freilich wenig über die realen Strukturen aus. Bei der Anwendung verschiedener gemeinsamer Charakteristika kamen Wissenschafter auf 24 föderal organisierte Staaten weltweit, darunter so unterschiedlich geformte wie die USA, Deutschland, Schweiz, Indien, Russland - und natürlich auch Österreich.

In Österreich ist jedoch, trotz oftmaliger Betonung der Bedeutung des Bundesstaates in Politiker-Reden, der föderale Charakter vergleichsweise schwach ausgeprägt, wenn man von der Wunschvorstellung einer möglichst großen Gleichberechtigung zwischen den einzelnen Gliedern und dem großen Ganzen ausgeht. Die meisten wichtigen Kompetenzen stehen dem Bund zu. Auch die Gerichtsbarkeit obliegt dem Bund.

Ein großer Teil des Bundesgesetze ist allerdings auf Länderebene umzusetzen (sogenannter kooperativer oder Vollzugsföderalismus ). Dies bezieht sich vor allem auf die Verwaltungsaufgaben (mittelbare Bundesverwaltung).

Die Oberhoheit des Bundes in Finanzfragen führt immer wieder zu Streit: Der sogenannte Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden führt seit Jahrzehnten zu Konflikten. Die Länder und Gemeinden urgieren ständig, dass sie bei Maßnahmen des Bundes, die ihr Budget belasten, nicht nur konsultiert werden sollten - der Konsultationsmechanismus wurde 1999 festgelegt -, sondern auch Einspruchsmöglichkeiten bekommen. Auf der anderen Seite wird in Österreich im Vergleich mit anderen föderativen Systemen viel Geld vom Bund an die Länder weitergegeben.

Ein weiterer ständiger Streitpunkt ist die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes durch den Bundesrat . Diese formal festgeschriebene Möglichkeit erschöpft sich darin, dass der Bundesrat zwar Einspruch gegen Gesetzesbeschlüsse erheben kann; dieser kann aber durch einen neuerlichen Nationalratsbeschluss übergangen werden. Die faktische Machtlosigkeit des Bundesrates hat jüngst die Landeshauptfrau von Salzburg, Gabi Burgstaller, zu dem Vorschlag veranlasst, die Institution überhaupt abzuschaffen.

Die Idee war ebenso wenig neu wie die Proteste, die sich dagegen erhoben. Das Institut für Föderalismus mit Sitz in Innsbruck warnt beispielsweise davor, den Bundesrat vorzeitig abzuschreiben. Im Österreich-Konvent habe es weitgehenden Konsens gegeben, den Bundesrat im Gegenteil zu stärken.

Institut-Direktor Peter Bußjäger steht außerdem dem immer mächtiger gewordenen Instrument der Landeshauptleutekonferenz skeptisch gegenüber: "Eine Mitwirkung durch ein parlamentarisches Organ garantiert eine breitere Vertretung der Interessen", meint er.

De facto werden bei den Beratungen der neun Landeshauptleute die Interessen der Bundesländer wirksamer vertreten als im Bundesrat, obwohl die Institution nicht in der Verfassung steht. Univ. Prof. Herbert Schambeck, 28 Jahre ÖVP-Vertreter im Bundesrat, weist darauf hin, dass diese freiwillig entstandene Partnerschaft der Länder zwar nicht der konstitutionellen, aber der existentiellen Repräsentation dient und vergleicht sie mit der Sozialpartnerschaft.

Die Übertragung vieler staatlicher Kompetenzen an die Europäische Union hat die Diskussion um die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern weiter verschärft. Daher war diese auch ein zentraler Punkt im Österreich-Konvent , ohne dass allerdings eine gemeinsame Lösung gefunden werden konnte. Nun berät über diese Themen eine parlamentarische Unterkommission.