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Föderalismusreform: Fehlanzeige

Von Ines Scholz

Politik

Deutschlands größte Verfassungsreform der letzten 40 Jahre ist gescheitert. Hauptstreitpunkt bei der Neuaufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern waren die Bildungsagenden. SPD-Chef Franz Müntefering startete am Nachmittag noch einen letzten Versuch, mit CSU-Chef Edmund Stoiber einen Kompromiss zu finden. Doch die Fronten blieben hart.


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Am Freitag wollten die beiden Co-Vorsitzenden der Föderalismuskommission eigentlich die Reformvorschläge feierlich präsentieren, die sie in den letzten knapp 13 Monaten ausgearbeitet hatten. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen konnte das 32-köpfige Gremium auf seiner Abschlusssitzung am Abend nur noch den Misserfolg verkünden. Damit habe Deutschland seine Chance für eine Verfassungsreform für Jahre vertan, bedauerten unisono Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Letzterer ist auch Vorsitzender der Ministerpräsidenten-Konferenz. "Man tagt Monate lang, und steht am Ende mit leeren Händen da. Das kann von den Bürgern nur als Versagen der maßgeblichen politischen Kräfte aufgefasst werden", zitierte die "Thüringer Allgemeine" den FDP-Politiker Max Stadler.

Länder sahen sich geprellt

Dass gerade die Bildungspolitik zum Stolperstein wurde, ist nur vordergründig verwunderlich. Zum einen sahen die Länder, allen voran das CDU-geführte (Bayern, Baden-Württemberg und Hessen), darin ein wichtiges Profilierungsfeld bei Landtagswahlen. Mehr noch wiegt aber, dass die Länderchefs die Übertragung der Bundeskompetenzen für den Hochschulbereich - die Schulen waren schon bisher Ländersache - als gerechte Kompensation für ihren Einflussverlust im Bundesrat betrachteten. Denn die Zahl der Bundesgesetze, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen, sollte im Rahmen der Reform drastisch reduziert werden. Im Gegenzug forderten die Landesfürsten gänzliche Eigenkompetenz in der Bildungspolitik, darunter bei der Zulassung, den Abschlüssen und der Qualitätssicherung im Universitätsbereich. Der Bund war dazu aber nicht bereit.

Wegen der verfahrenen Situation hatte die SPD zunächst versucht, die Union dafür zu gewinnen, den strittigen Bildungskomplex aus den Reformvorschlägen auszuklammern, damit wenigstens ein Teilergebnis zustande kommt. Eine eigene Kommission im Januar sollte sich dann mit den künftigen Zuordnungen bei der Bildung befassen. Doch die Union stellte sich quer. Eine weitere Überlegung bestand darin, die abschließende Kommissionssitzung auf Samstag zu verschieben, um noch ein wenig Zeit zu gewinnen. Doch auch hier gab es seitens der Ländervertreter Widerstand.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Damit war das Aus für die Reform de facto besiegelt. Schon in den frühen Morgenstunden hatte sich ein jähes Ende abgezeichnet, nachdem beide ihre nächtlichen Beratungen ohne Fortschritte beendet hatten. Stoiber sprach bereits im Anschluss von einem drohenden Scheitern. Kurz darauf folgte Münteferings Abgesang: "Dies ist heute ein Schlusspunkt".

Für das Debakel schoben sich beide gegenseitig die Schuld zu. Für Müntefering war es Stoibers kompromisslose Haltung; dieser habe bei den Zuständigkeiten in der Bildungspolitik neue Forderungen zu Lasten des Bundes gestellt, die deutlich über bisherige Positionen hinausgegangen seien. Dies sei völlig inakzeptabel gewesen. Bayerns Ministerpräsident spielte den Ball zurück. Der Bund habe sich in den strittigen Punkten keinerlei bewegt. "Das alles ist leider jetzt an den Sozialdemokraten gescheitert". Gestern zu Mittag unternahmen die beiden Kommissionsvorsitzenden einen letzten Rettungsversuch. Vergeblich. Als Gewinner gelten die Länder, die nun im Bundesrat weiterhin mehr als die Hälfte der im Bundestag verabschiedete Gesetze durch einen Mehrheitsbeschluss blockieren können. n