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Folgen des Dauerfeuers: Apathische Kinder, die nichts mehr essen

Von Mai Yaghi

Politik

Angst vor Lärm und Dunkelheit. | Gaza. (afp) Die Straßen sind leer, die Geschäfte geschlossen, nur auf dem Gehsteig sitzt eine Gruppe von Buben, die sich lebhaft unterhalten: "Wenn uns jetzt ein Apache-Hubschrauber angreift, dann zerreißt es mich in lauter kleine Fetzen, und einige davon werden gemeinsam mit Dir begraben", meint einer von ihnen grinsend. Mehrere Explosionen erschüttern die Straße, das Grinsen des Buben erlischt. Die Bande stürzt auseinander, jeder sucht so schnell er kann Schutz. Die Verschnaufpause mit makabren Scherzen ist vorüber.


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Seit Samstagabend stehen die israelischen Panzer am Rand von Seitun, dem östlichen Vorort von Gaza. Sie nehmen mutmaßliche Stellungen radikaler Palästinenser unter Dauerbeschuss. Bei jedem Einschlag wackeln die Gebäude von Seitun, der Krach und die ständige Angst zerren an den Nerven der Einwohner. Dutzende Familien versuchten am Montag, weiter ins Zentrum von Gaza zu fliehen - doch Autos, die sie mitnehmen könnten, sind rar.

"Bitte, nehmt uns mit", schreit Um Assad Hamudeh einem der wenigen Wagen hinterher. Ihre Tochter trägt ein brüllendes Baby im Arm, es lässt sich nicht beruhigen. An Rockzipfel der Großmutter hängt eine verängstigte Fünfjährige. "Die Panzer stehen nur wenige Meter von unserem Haus entfernt", erzählt die Mittfünfzigerin. "Sie schießen unablässig, wir finden einfach keinen Schlaf." Hinter ihr steigt Rauch auf. "Wir können nicht mehr, wir ziehen zu Verwandten nach Al-Rimal."

Spitäler überfordert

Al-Rimal liegt im Zentrum von Gaza, dem Ziel der meisten Flüchtenden aus Seitun. Dort hoffen sie auf Ruhe vor den Panzern. Auf mehr brauchen sie auch nicht zu hoffen: Die größte Stadt des Gaza-Streifens mit ihren 500.000 Einwohnern ist praktisch eingekreist, abgeschnitten vom Rest des Palästinenser-Gebiets. Es mangelt an allem: Strom, Heizung, Wasser, Nahrung - und vor allem an medizinischer Versorgung. Die Krankenhäuser der Stadt können die Verletzten kaum noch aufnehmen, geschweige denn versorgen. Weil keine Ärzte da sind, werden immer häufiger Amputationen vorgenommen. Weil Personal fehlt, sterben viele Verletzte ohne Behandlung.

Der eskalierende Konflikt zwischen Israel und der Hamas, so hatte am Montag die Nahost-Expertin des UNO-Kinderhilfswerks Unicef gewarnt, führt zu einer humanitären Katastrophe in dem palästinensischen Gebiet, und diese trifft vor allem Frauen und Kinder. Die Menschen in Gaza bestätigen ihre Einschätzung. "Viele Kinder essen nichts mehr. Sie sind apathisch, sprechen kaum. Den ganzen Tag kleben sie an ihren Eltern", erzählt Unicef-Mitarbeiter Sajj al-Mughanni, der selbst in Gaza lebt.

Besonders schlimm für die Kleinen sei die Dunkelheit. Und die Kälte: Oft erreichen die Temperaturen nachts auch in den Wohnungen den Gefrierpunkt, da viele Fenster entweder schon zersplittert sind oder offenstehen, damit sie bei der nächsten Explosion nicht bersten. Die britische Hilfsorganisation Save the Children warnt, ohne Heizung und Decken drohe vor allem den Babys Unterkühlung.

Mit ihrer Offensive will Israel nach eigenem Bekunden die radikalislamische Hamas-Bewegung in die Knie zwingen. Auf Flugblättern wurde die palästinensische Bevölkerung bereits zur Rebellion gegen die Hamas aufgerufen. Dass die Aufrufe Erfolg haben werden, scheint kaum wahrscheinlich.

Siad steht vor dem zerschossenen Wrack eines Hamas-Fahrzeugs in Seitun. Auf die Rufe seiner Mutter reagiert er nicht. Er schüttelt nur den Kopf, wenn sie ihn bittet, reinzukommen: "Die israelischen Flugzeuge können jeden Moment wiederkommen", ruft sie vom Balkon aus. Herausfordernd geht Siad ein paar Schritte weiter, dann dreht er sich zu ihr um: "Hab´ keine Angst, Mama!", schreit der Neunjährige schließlich zurück. "Lieber will ich als Märtyrer sterben, als in diesem ständigen Schrecken weiterzuleben."