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Folgen sind bis heute spürbar

Von Brigitte Pechar

Politik

Nach Machtübernahme durch die Nazis 1938 wurden 45 Prozent der Professoren und Dozenten und 42 Prozent der Studenten abrupt von den Universitäten vertrieben. Dieser geistige Exodus hat bis heute Nachwirkungen auf das Geistesleben in Österreich. Eine Aufarbeitung versucht das Symposion "Österreich und der Nationalsozialismus: Die Folgen für die wissenschaftliche und humanistische Bildung" heute und morgen an der Universität Wien.


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Anlässlich der Nobelpreisverleihung für Medizin im Jahr 2000 an den aus Wien stammenden Neurobiologen Eric Kandel schlug dieser Bundespräsident Thomas Klestil vor, von Ehrungen abzusehen und statt dessen diese Konferenz in Wien abzuhalten. Sein Fall sei schließlich kein Einzelfall.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rektor Georg Wickler, dem Zeithistoriker und Tagungsorganisator Friedrich Stadler und dem Experimentalphysiker Anton Zeilinger erinnerte Kandel daran, dass drei der aus Wien Vertriebenen Nobelpreisträger seien: Er selbst, Walter Kohn (Chemie) und Max Perutz (Chemie). Bis 1938 habe es in Wien eine bemerkenswerte intellektuelle Gemeinde gegeben und der jüdische Beitrag dazu sei beträchtlich gewesen. "Es wäre wundervoll, wenn dieses Zusammenwirken wieder entstehen könnte und deshalb wünsche ich mir eine blühende jüdische Gemeinde in Österreich und Wien. So könnte Wien wieder zu einem wichtigen intellektuellen Zentrum in der Welt werden", verwies Kandel auf die derzeitige schwierige Situation der jüdischen Gemeinde in Österreich.

Die Frage, warum die "vertriebene Vernunft" nach 1945 nicht zurück geholt wurde, sei auch Thema des Symposions, erklärte Winckler. Die Universitäten selbst hätten erst sehr spät mit der Aufarbeitung des Themas "Wissenschaft und Nationalsozialismus" begonnen. Zeilinger regte an, Stipendienangebote für junge jüdische Wissenschaftler und Gastprofessuren an vertriebene jüdische Forscher zu vergeben.

Das Symposion beginnt heute um 9 Uhr an der Universität Wien, Kleiner Festsaal.