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Vor rund einem Jahr, am 1. April 1998, erfolgte der Startschuß für eine umfassende Liberalisierung des Radiomarktes in Österreich. Inzwischen sind bereits über 50 private Regional- und Lokalradios
auf Sendung gegangen. Ihr Erfolg ist unterschiedlich. Der ORF erwies sich als zäher Gegner. Trotz der massiven Konkurrenz gelang es ihm bislang, mit seinen vier Radioprogrammen rund 80 Prozent
Marktanteil zu halten, die Privaten teilen sich die restlichen 20 Prozent.
Derzeit berät ein für Medienfragen eingerichteter Unterausschuß des Verfassungsausschusses, inwieweit das Regionalradiogesetz aufgrund der bisherigen Erfahrungen in der Praxis adaptiert werden soll.
Bei einem öffentlichen Hearing Anfang April stand insbesondere die Frage der Einrichtung einer unabhängigen Bundesmedienanstalt im Mittelpunkt der Debatte. Die ÖVP und alle drei Oppositionsparteien
befürworten ein solches Modell, der zuständige Staatssekretär Peter Wittmann (SPÖ) bekräftigte jedoch, daß er das bestehende System für effizient erachtet.
Derzeit ist die Privatrundfunkbehörde (früher Regionalradiobehörde) für die Vergabe von Sendelizenzen und die Wahrnehmung diverser Kontrollaufgaben zuständig. Sie setzt sich aus zwölf ehrenamtlich
tätigen Mitgliedern zusammen, die von den Parlamentsparteien, der Landeshauptleutekonferenz sowie Städte- und Gemeindebund vorgeschlagen werden. Als Vorsitzende dieser Privatrundfunkbehörde fungiert
Richterin Barbara Helige.
In der Praxis entstanden insbesondere dadurch Probleme, daß die Vergabe von Sendelizenzen zwar der Privatrundfunkbehörde obliegt, der Lizenzwerber aber zusätzlich eine fernmeldebehördliche
Bewilligung braucht. Eine Zusammenlegung der Verfahren für die Vergabe von Sendelizenzen und Frequenzen wurde daher von mehreren Experten als wichtiger Schritt genannt. Beide Aufgaben könnte, meinen
deren Befürworter, die Bundesmedienanstalt übernehmen. Sie wäre zudem besser in der Lage, die Einhaltung des Regionalradiogesetzes durch die privaten Betreiber zu beobachten, und könnte darüber
hinaus als Motor für die medienpolitische Entwicklung in Österreich fungieren.
Marco Huter, Vorsitzender des Verbandes Österreichischer Privatrundfunkveranstalter, beklagte, daß die Rahmenbedingungen für private Rundfunkveranstalter "unzulänglich bis existenzgefährdend" seien.
Er erwartet sich von einer unabhängigen Bundesmedienanstalt auch Unterstützung für die Privatradios in Form von Forschungsarbeit, Mitarbeiterausbildung etc.
FP-Mediensprecher Michael Krüger übte nicht nur Kritik an der Konstruktion der Privatrundfunkbehörde, er wünscht sich auch eine Änderung der Beteiligungsbeschränkungen an Privatradios, da er das
bestehende Modell für nicht geeignet hält, Kartellbildungen entgegenzutreten. Die Grünen legten ebenfalls einen umfassenden Forderungskatalog vor, der u.a. eine verstärkte Berücksichtigung freier,
nichtkommerzieller Radios bei der Lizenzvergabe, deren finanzielle Unterstützung durch einen öffentlichen Fonds sowie eine Zustimmungspflicht der Regulierungsbehörde bei jeder Abtretung eines
Gesellschaftsanteils an einem Sender beinhaltet.
Privatfernsehen
Der Medien-Unterausschuß des Verfassungsausschusses befaßt sich aber auch mit der Einführung von terrestrischem Privatfernsehen in Österreich. Noch ist nicht geklärt, wann erstmals ein privater TV-
Sender via Hausantenne empfangbar sein wird. Staatssekretär Wittmann bekräftigte zwar bei einem Hearing im Hohen Haus die Absicht der Regierung, eine möglichst rasche Liberalisierung im TV-Bereich
durchzuführen und die · neben den beiden ORF-Programmen · dritte zur Verfügung stehende bundesweite Frequenzkette an einen privaten Anbieter zu vergeben, Experten meinten jedoch, daß es sinnvoller
sein könnte, die dritte Frequenzkette vorerst freizuhalten und für einen Umstieg von analoger auf digitale Übertragungstechnik zu nutzen.
Franz Prull, Leiter der Frequenzbehörde im Verkehrsministerium, rechnet etwa im Fall einer späteren Digitalisierung mit einem erheblich höheren Planungsaufwand und hohen zusätzlichen Kosten, sollte
die zur Verfügung stehende Frequenz jetzt analog vergeben werden.
Digitale Übertragungstechnik hat den Vorteil, daß mehrere Programme über eine Frequenzkette gesendet werden und außerdem umfangreiche Zusatzdienste angeboten werden können. Der TV-Konsument braucht
allerdings eine sogenannte "Set-Top-Box", um digital ausgestrahlte Programme mit einem herkömmlichen Fernsehgerät zu empfangen. Will also der ORF seine Übertragungstechnik von analog auf digital
umstellen und fehlen Frequenzen, die über einen gewissen Zeitraum eine parallele Ausstrahlung ermöglichen, wären die Fernsehzuschauer gezwungen, ihr Fernsehgerät von einem Tag auf den anderen
umzurüsten.
Umstritten ist jedoch, ob die digitale Übertragungstechnik auch bei terrestrischem Fernsehen Fuß fassen wird. Deutschland will zwar, wie ein Vertreter der deutschen Telekom AG beim Hearing
bestätigte, die Umstellung von analog auf digital 2010 abgeschlossen haben, doch soll die Sinnhaftigkeit dieses Schrittes seiner Auskunft nach im Jahr 2003 nochmals überprüft werden.
"News"-Herausgeber Wolfgang Fellner hält es überhaupt für "medienpolitischen Nonsens", die Zukunft in digitalem terrestrischem Fernsehen zu sehen. Seiner Auffassung nach ist Digitalfernsehen
weltweit auf Satelliten-TV abgestellt. Er vermutet, daß die Diskussion nur dazu dienen soll, die Einführung von terrestrischem Privatfernsehen in Österreich weiter auf die lange Bank zu schieben, und
appellierte daher an die verantwortlichen Politiker, rasch eine bundesweite analoge Frequenz für Privatfernsehen zur Verfügung zu stellen. Ähnlich äußerte sich auch "Wien 1"-Chef Karl Matuschka.
Fraglich ist, ob sich ein österreichischer Privatsender wirtschaftlich überhaupt rechnet. Beim Hearing im Parlament zeigten sich nicht nur die beiden zu dieser Problemstellung eingeladenen Experten
aus der Schweiz und aus Deutschland skeptisch, Bedenken äußerten auch viele an Privat-TV interessierte Zeitungsverleger. So fürchtet der Geschäftsführer des deutschen WAZ-Konzerns, Erich Schumann,
der als Vertreter der "Kronen-Zeitung" am Hearing teilnahm, eine "Investitionsruine", sollten Privat-TV-Anbieter nicht von allen Auflagen und Einschränkungen, etwa was Beteiligungsverhältnisse,
Produktionsquoten oder Werbezeiten betrifft, befreit werden.
Der Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen, Max Dasch, hält die Finanzierung eines nationalen TV-Vollprogramms durch österreichische Betreiber für unrealistisch. Er regte demgegenüber an,
ORF 2 für Regionalfenster und Magazinleisten zu öffnen. Diese sollen von privaten Anbietergesellschaften unter eigener Verantwortung gestaltet werden und könnten durch regionale Werbefenster
finanziert werden.
Die Regierung schlägt in ihrem Gesetzentwurf vor, eine bundesweite Sendelizenz und, sollten entsprechende technische Übertragungskapazitäten vorhanden sein, weitere Sendelizenzen für regionale bzw.
lokale Versorgungsgebiete in Form von Wettbewerbsverfahren zu vergeben. Kommt keine Veranstaltergemeinschaft zustande, wäre jenem Antragsteller der Vorrang zu geben, der eine bessere Gewähr für
Meinungsvielfalt bietet und von dem ein eigenständiges, auf die regionalen Interessen Bedacht nehmendes Programmangebot sowie ein größerer Umfang an eigengestalteten Beiträgen zu erwarten ist.
Hinsichtlich der bundesweiten Lizenz soll derjenige bevorzugt werden, dessen Programm eine "österreichische Note" aufweist.Õ
Gerda Steinberger ist Mitarbeiterin des Parlamentarischen Pressedienstes