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Pränatal-Mediziner: Eltern behinderter Kinder sollen außergerichtlich Geld erhalten. | "Angemessene" statt gar keiner Haftung für Ärzte. | Justiz begrüßt die Vorschläge. | Wien. Darüber, dass ein behindertes Kind kein "Schadensfall" sein soll, scheinen sich alle einig zu sein. Wer und ob jemand dafür haftet, woher die Eltern Geld für ihr Kind bekommen und wie die Gesetzesnovelle dazu aussehen soll, ist allerdings ungeklärt. Vielmehr werden nach der Präsentation einer möglichen Novelle im Februar dieses Jahres zunehmend kritische Stimmen laut. Unter anderem von der Österreichischen Gesellschaft für Prä- und Perinatale Medizin (ÖGPPM), die am Donnerstag sozialrechtliche und außergerichtliche Lösungen forderte.
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"Statt über das Gericht sollen die Eltern die finanzielle Unterstützung künftig von einem Fonds erhalten, der unter anderem mit einem Solidarbeitrag der Ärzteschaft bestückt ist", sagte Wolfgang Arzt, Präsident der ÖGPPM, vor Journalisten.
Regress durch den Arzt
Die Eltern müssten dann nicht mehr vor Gericht beweisen, dass sie die Schwangerschaft abgebrochen hätten, wenn ihnen die Behinderung ihres Kindes bewusst gewesen wäre. Ein Gutachten soll klären, wie viel Unterstützung sie vom Fonds erhalten.
Nicht nur mit dem Vorschlag der außergerichtlichen Abwicklung distanziert sich die ÖGPPM von der Novelle, die vom Justizministerium in Begutachtung geschickt worden war. "Außerdem sollen die Gynäkologen nicht jeglicher Haftung enthoben werden", betonte Arzt, "sondern angemessen darin bleiben."
Will sich doch der Fonds auf dem Regressweg einen Teil der Zahlungen an die Eltern zurückholen. Falls deren Kind wegen eines Ärztefehlers behindert ist, soll der Regress die lebenslangen Unterhaltszahlungen umfassen. Jene Mediziner, die eine Fehlbildung im Ultraschall übersehen haben, sollen allerdings nicht die gesamte Haftung übernehmen müssen.
Wie hoch der Fonds dotiert sein wird, ist laut Arzt noch nicht geklärt. Justiz- und Finanzministerium zögen allerdings am selben Strang und hätten ihre Unterstützung angekündigt. "Die Vorschläge der Pränatal-Mediziner sind interessant", sagt Georg Kathrein, Leiter der Zivilrechtssektion des Justizministeriums, zur "Wiener Zeitung".
Die ursprüngliche Fassung der Gesetzesnovelle müsse in jedem Fall überarbeitet werden. Wenn die Schadenersatz-Frage durch eine sozialrechtliche Lösung ersetzt werden könne, sei das begrüßenswert. "Auch den Vorschlag, dass Ärzte in der Teilhaftung bleiben, wird man sich ansehen müssen", meint Kathrein.
Appell an Hauptverband
Die Tatsache, dass die präzise Pränataldiagnostik mit Fruchtwasseruntersuchung oder 3D-Screening auf wenige Spitäler beschränkt ist, wird wiederum von Peter Husslein, Leiter der Universitätsfrauenklinik an der MedUni Wien, kritisiert. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger unterstützt diese Untersuchungen bei niedergelassenen Ärzten nämlich nicht. "Es ist die Aufgabe des Hauptverbandes, einen kostendeckenden Vertrag mit den Ärzten abzuschließen", fordert Husslein.
"Die Pränataldagnostik ist aus gutem Grund auf wenige Zentren beschränkt", entgegnet Josef Probst, Generaldirektor-Stellvertreter im Hauptverband. "Hier gibt es routinierte Ärzte, die sich ständig mit dem Thema befassen und so die Qualität sichern." Genauso wichtig sei die fachmännische Beratung der Schwangeren, damit diese zur richtigen Entscheidung finde.