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Forcierte Suche nach Impfung

Von Daniel Haney

Wissen

Es gibt viele Waffen im Kampf gegen Krebs. Eine nicht ganz neue, aber lange Zeit als wenig Erfolg versprechend ins Abseits gedrängte Methode ist in jüngster Zeit wieder stärker in den Blickpunkt der Forschung gerückt: Die so genannte Impfung gegen den Krebs. Bei dieser Methode geht es darum, den menschlichen Körper in die Lage zu versetzen, mit seinen eigenen Abwehrwaffen den Tumor zu vernichten.


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Die Forscher wollen dem menschlichen Organismus gewissermaßen beibringen, Krebs als etwas Böses zu erkennen, ihn aufzuspüren und schließlich zu zerstören. Der Begriff Impfung erscheint dabei zunächst etwas irreführend, geht es doch bei herkömmlichen Impfungen wie etwa gegen Grippe oder Masern darum, eine Krankheit zu verhindern und nicht, sie zu heilen. Der Ansatz ist aber grundsätzlich der Gleiche: Es gilt, das Immunsystem als mächtigen Kampfgefährten zu gewinnen.

Die Abwehrpolizei des Körpers ist ständig auf der Suche nach Krankheitserregern, um sie zu vernichten. Das kann in den meisten Fällen deshalb so hervorragend funktionieren, weil das Immunsystem die Erreger als körperfremde Eindringlinge erkennt. Bei Krebs ist das anders: Tumorzellen sind für die körpereigene Abwehr kaum von normalen Körperzellen zu unterscheiden und werden deshalb nicht als gefährlich erkannt. Eine Impfung erschien daher jahrelang als aussichtslos, sah die vorherrschende Meinung in der Medizin doch praktisch keinen Weg, die Krebszellen zu vernichten, ohne auch gesunde Zellen gleich mit zu zerstören.

Neue Forschungen haben in jüngster Zeit aber ein Wiederaufleben des Impfansatzes bewirkt. "Das Gebiet explodiert förmlich", so Dr. Jeffrey Schom vom Nationalen Krebsinstitut (NCI) der USA. Allein das NCI unterstützt gegenwärtig fast 100 Studien, die sich mit Krebs-Impfungen befassen.

Drei Viertel davon konzentrieren sich auf Patienten mit Melanomen. Diese tödliche Form des Hautkrebses spricht offenbar am besten auf Impfungen an, da Melanome wie keine andere Krebsart bei einer Aktivierung des Immunsystems Verwundbarkeit zeigen.

Ein Indiz dafür ist das Phänomen spontaner Rückbildungen. Hin und wieder verschwindet ein Hautkrebs von allein. In vielen dieser Fälle wurde beobachtet, dass der Körper eine Infektion bekämpfte, die mit dem Krebs nichts zu tun hatte. Das deutet darauf hin, dass das durch den Kampf gegen die Infektion mobilisierte Abwehrsystem sich auch gegen den Tumor wendet.

Einer derjenigen, der fest an die Wirksamkeit von Anti-Krebs-Impfungen glaubt, ist der Radiologe Les Menuck aus Kalifornien. Der 58-Jährige erkrankte vor vier Jahren an Hautkrebs. Als die Krankheit diagnostiziert wurde, hatten sich in seinen Lymphknoten bereits Metastasen gebildet. Er erfuhr von einem noch in der Entwicklung steckenden Impfstoff namens Melacine und ließ sich dieses Mittel zusammen mit Interferon verabreichen. Heute ist der Krebs verschwunden. Menuck: "Für mich ist das fast ein Wunder."

Melacine wurde von Malcolm Mitchell entwickelt, einem der Pioniere auf dem Gebiet der Krebs-Impfungen. Ein weiteres Mittel, CancerVax, wurde von Donald Morton entwickelt und wird demnächst an 1.000 Patienten in 40 Kliniken weltweit getestet. Beide Stoffe stammen aber noch aus der Frühzeit der Krebs-Impfforschung. Viele jüngere Ärzte hätten CancerVax inzwischen als rückständig abgetan, berichtet Morton.

"Ein Neuling bezeichnete meinen Impfstoff einmal als 'Dampfkraft-Technologie'", berichtet der US-Forscher und weist die Kritik entschieden zurück. "Unglaublich viele Menschen sind mit Hilfe von Dampflokomotiven durch dieses Land transportiert worden. Es wird eines Tages vielleicht ausgefeiltere Krebs-Impfstoffe gegen. Ich glaube aber, mein Ansatz ist der beste, der momentan zur Verfügung steht."

Die neue Generation von Krebs-Impfstoffen, an denen derzeit geforscht wird, ist ein Produkt der Fortschritte auf dem Gebiet der Gentechnik. Die jüngere Forschergeneration versucht, bei einer verfeinerten Impfmethode nur noch einzelne Proteinmoleküle und nicht komplette Zellen für den Kampf gegen den Krebs nutzbar zu machen. Kenneth Foon von der Universität Cincinnati ist einer von ihnen.

Er will den Krebs mit Hilfe von Antigenen überlisten, die denen von Melanomen ähneln, doch von der Immunabwehr klar als körperfremd erkannt werden können. Das Immunsystem falle über die Eindringlinge her und greife, quasi nebenbei, auch die Melanomzellen an, die das ähnlich aussehende Krebs-Antigen tragen, erläutert Foon. Eine groß angelegte Testreihe an Patienten soll demnächst beginnen.

("http://cancernet.nci.nih.gov/trialsrch.shtml", "http://www.corixa.com")