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Fördern Anti-Rauch-Gesetze den Schwarzmarkt?

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Tabakkonzern Philip Morris tritt Plänen der EU-Kommission mit Studie zu steigender Kriminalität entgegen.


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Brüssel.

Kein Kamel mehr, kein Flügelhelm, keine vertrauten Schriftzüge. Stattdessen Aufnahmen von entzündeten Augen, verfaulten Zähnen und Kindern im Krankenbett: Im Kampf gegen das Rauchen setzt Australien auf drastische Bilder. Noch heuer soll die Einheitspackung die unterschiedlichen Zigarettenschachteln ersetzen; künftig wird jedes Packerl braun sein, ergänzt durch Warnhinweise und die Fotos. Das Logo der Zigarettenmarke könnte verschwinden, der Name selbst scheint nur noch klein gedruckt am Rand auf.

Doch auch auf einem anderen Kontinent könnten bald ähnliche Maßnahmen ergriffen werden. Denn die EU-Kommission wünscht sich noch striktere Auflagen beim Vertrieb von Zigaretten und plant eine Überarbeitung der Richtlinie für Tabakwaren. So hegt Gesundheitskommissar John Dalli Sympathien für die Einheitspackung, und auch Einschränkungen beim Ausstellen von Zigaretten in Trafiken gehören zu den möglichen künftigen Gesetzesvorschlägen, die Brüssel wohl im Herbst präsentieren wird.

<box_voting>Die Tabakindustrie macht das zunehmend unruhig. Sie greift nun auch zu wissenschaftlichen Gegenargumenten. Zwar haben Produzenten immer wieder darauf hingewiesen, dass etwa die Erhöhung der Zigarettenpreise dem Verkauf - billigerer - geschmuggelter oder gefälschter Ware Vorschub leiste und dem Staat dadurch Einnahmen entgehen. Doch können sie sich jetzt zusätzlich auf eine Untersuchung stützen, die rigide Anti-Raucher-Maßnahmen mit möglichem Ansteigen der Kriminalität verknüpfen.

In einer Studie, die dem Nachrichtenportal "EurActiv" sowie der "Wiener Zeitung" vorliegt und die diese Woche veröffentlicht wird, überprüften Wissenschaftler vom Forschungszentrum für grenzüberschreitende Kriminalität (Transcrime) an der Universität von Trient mögliche Auswirkungen verschärfter Regelungen auf den Schwarzhandel mit Zigaretten. Ihr Fazit: Die Einführung von Einheitspackungen berge ein hohes Risiko, dass der Handel mit gefälschten Produkten ansteigen werde. Zudem werde die Unterscheidung zwischen Markenzigaretten und Nachahmungen schwieriger, wobei die gefälschte Ware oft noch schädlicher für die Gesundheit ist, schreiben der Kriminologe Ernesto Savona und seine Mitautoren, Francesco Calderoni sowie Serena Solmi. Ähnliches drohe, wenn das Ausstellen der Produkte verboten werde - die Ware also nur noch unter dem Ladentisch verkauft werden darf.

Schon jetzt ist der illegale Handel mit Tabakwaren äußerst profitabel - vergleichbar jenem mit Kokain, heißt es in der Untersuchung, die der Konzern Philip Morris finanziell unterstützt hat. Der Schwarzmarkt in der EU decke rund ein Zehntel des Verbrauchs ab. Dass dies steigen könnte, habe die EU-Kommission aber nicht in Betracht gezogen, schreiben die Autoren. Die Brüsseler Behörde selbst wollte die Studie zunächst nicht kommentieren. Außerdem sei noch nichts entschieden, hieß es aus Kommissar Dallis Büro.