Zum Hauptinhalt springen

Forscher, der Babys genetisch veränderte, von Uni gefeuert

Von Eva Stanzl

Wissen

Südwest-Universität in Shenzhen beendet Zusammenarbeit mit He Jiankui - China will Ruf als aufstrebendes Land der Wissenschaft schützen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. 5,38 Millionen Euro: Diese Summe an Forschungsförderungen soll der chinesische Wissenschafter He Jiankui an seiner Universität erhalten haben, bevor er wegen der Geburt der ersten genveränderten Menschenbabys ins Kreuzfeuer der Kritik geriet. Nun wurde der aufgehende Stern von seiner Universität gefeuert.

He hatte im November die weltweit erste Geburt genmanipulierter Babys verkündet und eine Kontroverse ausgelöst. Er habe das Genom zweier Embryonen mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR-Cas 9 so verändert, dass die Zwillinge Lulu und Nana immun gegen den Aids-Erreger HIV seien, gab er bekannt. Acht Paare hätten sich an einer Studie beteiligt, um die Vererbung der Immunschwächekrankheit zu verhindern, wobei die Väter HIV-positiv und die Mütter HIV-negativ gewesen seien. Die Welt schrie auf. "Tabubruch" und "ethische Grenzüberschreitung", lautete die Kritik. Peking reagierte mit Ermittlungen gegen den Forscher. Er habe "privat" ein Projektteam mit ausländischer Beteiligung organisiert und eine "Technologie mit ungewisser Sicherheit" eingesetzt, hieß es.

Volle Verantwortung

Nun hat die Südwest-Universität für Wissenschaft und Technologie in Shenzhen ihren Professor entlassen. He habe gegen "akademische Ethik und Normen" verstoßen, ist auf der Homepage der Hochschule zu lesen: "Auf der Grundlage der Ergebnisse des Untersuchungsteams ‚Gene Editing Baby Event‘ in der Provinz Guangdong hat sich unsere Schule entschieden, den Arbeitsvertrag mit He Jiankui aufzuheben und alle Lehr- und Forschungsaktivitäten in der Schule zu beenden."

Im Untersuchungsbericht zählen Lokalbehörden im Auftrag des Gesundheitsministeriums die Vergehen auf. Demnach habe He gegen Chinas Fortpflanzungsmedizingesetz insgesamt und gegen das Verbot einer künstlichen Befruchtung an HIV-positiven Menschen im Speziellen verstoßen. Zur Bewilligung seiner Experimente habe er Blutproben von HIV-negativen Freiwilligen eingereicht und somit die Behörden belogen. He trage die volle Verantwortung für die Gen-Manipulation, er habe "im Streben nach Ruhm und Reichtum" das Gesetz umgangen, zitiert Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua ein Mitglied der ministeriellen Untersuchungskommission. Demnach sind Gen-Veränderungen "ganz klar vom Staat verboten". Jedoch nennt der Experte keine Gesetzesabschnitte, die He konkret verletzte. China will den Ruf als aufstrebendes Wissenschaftsland schützen und unterfüttert sein Ziel, zum Forschungskaiser USA aufzuschließen, mit strategischen Investitionen in beispielloser Höhe und wagemutigen Ansätzen. He ist nach offizieller Darstellung ein geltungssüchtiger Einzelgänger, der Kontrollen bewusst umgangen habe.

Angesichts solcher Strenge stellt sich jedoch die Frage, wie er "privat" ein Team mit ausländischen Mitarbeitern organisiert und "sich auch selbst um die Finanzierung seines Vorhabens gekümmert" haben kann. Verwundern darf auch, dass niemand etwas davon mitbekommen haben soll. Nach Recherchen des Senders "Deutsche Welle" ist das Forschungsvorhaben offiziell unter dem Titel "Evaluation of the safety and efficacy of gene editing with human embryo CCR5 gene" im Studienregister "Chinese Clinical Trail Registry" registriert. Die Nennung der HIV-Immun-Gene CCR5 macht unmissverständlich, was gemeint ist. In einer Bescheinigung zum Antrag mit der Nummer ChiCTR1800019378 heißt es: "Genehmigung der Medizinischen Ethik-Kommission: In Übereinstimmung mit den ethischen Standards, vereinbaren Sie die Durchführung." Die Zweifel untermauert die nächste Erfolgsmeldung aus dem Reich der Mitte. Am Mittwoch wurde bekannt, dass erstmals mehrere geklonte Affen mit einem absichtlich hervorgerufenen Gendefekt in der Akademie der Wissenschaften in Shanghai zur Welt kamen. Auch das 2017 erstmals in China gelungene Klonen von Affen ist umstritten, weil die Primaten dem Menschen so ähnlich sind und damit die Sorge um eine Anwendung bei Menschen wächst.