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Genmutation sorgt für chronisches Darm-Leiden. | Studie mit über 1000 Patienten. | Tübingen. Über 500.000 Menschen in Deutschland und Österreich leiden unter der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa. Nach der Auswertung von Gen-Analysen von über 1000 Darm-Patienten wiesen Kieler Forscher um Professor André Franke und Stefan Schreiber nach, dass die Mutation eines einzigen Gens auf Chromosom 22 diese schmerzhafte und schwere Krankheit auslöst.
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Patienten mit Colitis ulcerosa klagen über heftige Bauchschmerzen, chronischen, oft blutigen Durchfall, Stuhl- und Harndrang (bis zu 20 Mal pro Tag) und verlieren rapide an Gewicht. Als Ursache nennen Medizinwissenschafter vererbliche Prädispositionen, Umweltfaktoren sowie das körpereigene Immunsystem, das auf den Befall der Darmflora im Mast- und Dickdarm überreagiert.
Erst vor wenigen Jahren wurde es Usus, dass Daten von chronisch-kranken Patienten in regionalen Biobanken zusammengeführt werden. Neben dem Krankheitsverlauf beim einzelnen Patienten werden dort auch verabreichte Medikamente sowie durchgeführte Therapien beschrieben. Eine solche Biobank für Colitis ulcerosa-Patienten, die norddeutsche Popgen, nutzten die Kieler Forscher André Franke und Stefan Schreiber für ihre Gen-Studie. Dem Team standen Blutproben von 1043 Colitis ulcerosa-Patienten sowie von 1703, ebenfalls in der norddeutschen Biobank registrierten, gesunden Kontrollpersonen zur Verfügung. Weiter analysierte das Wissenschafter-Team mithilfe der Bioinformatik exakt 1.897.764 DNA-Positionen in den Genomen der Patienten. Ausgewählte SNPs (Single Nucleotide Polymorphism, Einzelnukleotid-Polymorphismen), damit werden Variationen von einzelnen Basenpaaren in einem DNA-Strang bezeichnet, verglich das Wissenschafter-Team untereinander sowie in ihrer Funktion.
Das Resultat war eindeutig: Die Gen-Loci mit der Bezeichnung 7q22 und 22q13 auf dem Gen IL17REL von Chromosom 22 sind als risikobehaftet einzustufen. Das Gen IL17REL gilt somit als krankheitsauslösend.
Um die neuen Erkenntnisse nachzuprüfen, wurden ähnlich angeordnete Colitis-ulcerosa-Studien in mehreren anderen europäischen Ländern durchgeführt. Zur Überprüfung "dazugeschaltet" wurden Daten-Auswertungen aus Belgien, Litauen, Norwegen, Griechenland, Holland und England. An den dortigen Studien nahmen insgesamt 2539 Colitis ulcerosa-Patienten sowie 5428 Kontrollpersonen teil. Diese länderübergreifende, mühevolle Kleinarbeit brachte letzte Gewissheit: Die Protein-verändernde Mutation auf IL17REL des Chromosoms 22 trat überall auf - obwohl die Menschen in den verschiedenen Ländern genetisch stark voneinander abweichen. IL17REL ist somit an der Entstehung von Colitis ulcerosa beteiligt. Man fand bei allen Erkrankten diese Gen-Mutation.
Die Kieler Forscher wollen nun die Funktionsweisen dieses Gens aufklären. Gelingt ihnen das, wäre die Herstellung neuer Medikamente möglich, die die Erbkrankheit Colitis ulcerosa heilen können.