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Forscher pflegen das Erbe Simon Wiesenthals

Von Heiner Boberski

Politik

Tagung erinnert an ein Memorandum Wiesenthals von 1966. | Holocaust-Experten liefern neue Studien zu NS-Verbrechen. | Wien. Am 7. und 8. Juni befasst sich eine Tagung hochkarätiger internationaler Wissenschafter mit aktuellen Fragen der Holocaustforschung. Anlass ist die Gründung des "Vienna Wiesenthal Institute" (VWI). Zwei der Gründungsmitglieder - das IFK (Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften) und das Institut für Zeitgeschichte (IFZ) der Universität Wien - organisieren die Veranstaltung unter dem Titel "The Legacy of Simon Wiesenthal for Holocaust Studies".


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Die Tagung steht im Zeichen eines Memorandums, das Simon Wiesenthal, der im Vorjahr verstorbene Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, im Jahr 1966 an die österreichische Bundesregierung richtete. Er wies darin darauf hin, dass auffallend viele Österreicher an der Vernichtung der europäischen Juden und an anderen NS-Verbrechen - Wiesenthal unterschied zwölf Verbrechenskomplexe - beteiligt gewesen waren. Weiters machte Wiesenthal Vorschläge für eine effektivere Strafverfolgung der NS-Verbrechen.

In den Vorträgen wird es um Institutionen und Personengruppen gehen, die an den NS-Verbrechen beteiligt waren, um die Verfolgung der Täter, um das Phänomen Antisemitismus, aber auch um die Holocaust-Überlebenden und die ins Exil gegangenen Regimegegner. Wie unterschiedlich letztere den Antisemitismus einschätzten, beleuchtet zu Beginn David Bankier von der Yad Vashem Universität (Jerusalem).

Österreich in NS-Zeit "extrem gewalttätig"

Während Atina Grossmann (New York) das Schicksal jüdischer Überlebender im Nachkriegsdeutschland untersucht, beschäftigt sich Isabel Heinemann (Freiburg) mit den Biographien von SS-"Rasseexperten". Für besonderen Zündstoff dürfte Christian Gerlach (Pittsburgh) sorgen, dessen Thema lautet: "Das nationalsozialistische Österreich als ,extrem gewalttätige Gesellschaft". Auf die "Trawniki-Männer", eine wenig bekannte Tätergruppe der "Aktion Reinhard", der 1,7 Millionen Juden zu Opfer fielen, geht der amerikanische Experte Peter Black (Washington) ein, dem über das US-Justizministerium spezielle Personalakten zugänglich waren.

Wie die strafrechtliche Verfolgung der Täter aussah, beleuchten für Polen der Historiker Wlodzimierz Borodziej (Warschau) und für bestimmte Bereiche der deutschen Justiz Omer Bartov (Providence) sowie Michael Wildt (Hamburg).

Nicht zuletzt widmen sich Tom Segev (IFK) und Bertrand Perz (IFZ) Simon Wiesenthal und seiner Bedeutung für die Erinnerung an den Holocaust in Israel und in Österreich.

Die Veranstaltung beginnt am 7. Juni um 9.15 Uhr. Den Abschluss bildet am 8. Juni um 17.30 Uhr eine Publikumsdiskussion mit Raul Hilberg, dem Begründer der Holocaustforschung, und Walter Manoschek (Institut für Staatswissenschaft, Universität Wien). Ort ist das IFK (1010 Wien, Reichsratsstraße 17). Die Tagung wird auf www.vwi.ac.at mittels Videostreaming live im Internet uebertragen.

Infos über Teilnehmer, Abstracts und Programm: www.ifk.ac.at