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Forschung, für die doch Geld da ist

Von Eva Stanzl

Wissen
Ribbon-Darstellung eines human IgG1 Antikörpers: Das Medikament wirkt gegen Krebs wie ein speziell angefertigter Schlüssel. Grafik: Florian Rüker, unter Verwendung von UCSF Chimera package

Mini-Antikörper könnten Chemotherapie bei Krebs ersetzen. | Wo Erfindungen in die Praxis umgesetzt werden, winken große Summen. | Ohne umfangreiche Grundlagenforschung allerdings kein Produkt. | Wien. 1,26 Milliarden Euro klingt im Vergleich zu acht Millionen Euro wie das Privatvermögen eines US-Bankiers in Relation zu dem einer armen Laborratte.


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In der Realität ist der kleinere Betrag eine Summe, um die die öffentliche Hand im heimischen Sparbudget gerungen hat. Der Bund kappt die Basis-Budgets von rund 70 außeruniversitären Forschungseinrichtungen, welche Grundlagenforschung betreiben und von denen nun wohl einige zusperren müssen. Die internationale Privatwirtschaft ist hingegen bereit, ganz andere Summen in die Hand zu nehmen für nur ein einziges neues Medikament.

Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat einen Deal im Wert von bis zu 1,26 Milliarden Euro mit der Wiener Startup-Firma F-Star Biotechnologische Forschungs- und Entwicklungs GmbH unterzeichnet. Das Startup, eine Ausgründung der Universität für Bodenkultur (Boku), soll therapeutische Antikörper bis zur Marktreife weiterentwickeln. Der Deal wird heute in Wien als fünftes österreichisches Biotech-Startup in den vergangenen zwei Jahren von der Förderbank aws präsentiert.

"Angefangen hat es mit einem einfachen Experiment im Labor", sagt Florian Rüker. Als der Molekularbiologe und seine Kollegin Gordana Wozniak-Knopp vom Department für Biotechnologie der Boku Wien entdeckten, dass das, was sie sich vorgestellt hatten, funktionierte, reichten sie ein Patent ein und gründeten gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen das Start-Up. "Wir haben eine Technologie entwickelt, mit der man die Besonderheit und die Wirksamkeit von monoklonalen Antikörpern verbessern kann", sagt Rüker zur "Wiener Zeitung".

Monoklonale Antikörper (Maks) sind definierte Antikörper-Moleküle, die Krankheitserreger spezifisch binden. Sie zählen mit einem Umsatz von weltweit 20 Milliarden Euro pro Jahr zu den klinisch erfolgreichsten biotechnologisch hergestellten Medikamenten. Maks wirken gegen Tumore sowie gegen Autoimmunerkrankungen, wie rheumatische Arthritis oder die Darmerkrankung Morbus Crohn. Ein Medikament auf dieser Basis, das bereits auf dem Markt ist, ist Herceptin des Schweizer Pharmakonzerns Roche. Es wird gezielt gegen bestimmte Formen von Brustkrebs eingesetzt.

Die Wiener Molekularbiologen können winzige Fragmente herstellen, die nur ein Drittel so groß sind wie die üblichen Antikörper, jedoch die volle Funktionalität haben. Die winzigen Antikörperchen werden per Infusion verabreicht. "Unsere Vorstellung ist, dass diese Fragmente viel leichter in Tumorzellen eindringen können und sie somit gründlicher und schneller zerstören", sagt Rüker. Zudem könnten die Mini-Maks besser zwischen Tumorzellen und gesundem Gewebe unterscheiden als größere Antikörper. Im Unterschied zur Chemotherapie nach der Entfernung eines Tumors sollte gesundes Gewebe somit nicht mehr zerstört. Im allerbesten Fall könnten die Antikörper künftig eine Chemotherapie sogar ersetzen. Die Wissenschafter hoffen auch auf eine Behandlung, die weitgehend ohne Nebenwirkungen abläuft. Denn "das Medikament erkennt die Krebszellen wie ein speziell angefertigter Schlüssel", erklärt Rüker die Eleganz seiner Methode.

Die Summe von über einer Milliarde für die Marktreife von Produkten, die auf der Basis von Rükers Erfindung von F-Star entwickelt werden sollen, beträgt fast ein Zehntel des für 2011 geplanten österreichischen Gesamt-Budgets für Bildung, Forschung und Kunst von 11,87 Milliarden Euro. Doch bis sie über den Tisch geht, wartet noch ein weiter Weg. Es handelt sich um eine Meilenstein-Finanzierung - Teilbeträge, die ausbezahlt werden, wenn vorgegebene "Meilensteine" oder Teilziele erreicht sind. So soll eine Therapie mit den Mini-Antikörperchen schrittweise im Zuge von sieben Forschungsprojekten bis zur Marktreife geführt werden. "An der möglichen Investition erkennt man das Potenzial, das in dieser Technologie stecken könnte" sagt Rüker, der F-Star im Jahr 2006 gegründet hat. Seitdem hat er die Geschäftsführung abgegeben, arbeitet wissenschaftlich an der Boku und ist als Gründer an f-star beteiligt, das hoffentlich künftig Gewinne abwerfen wird.

Rückflüsse kommen langsam

Die volle Summe von seiten der Pharmafirma fließt jedoch nur dann, wenn die Produkte ein multipler therapeutischer und kommerzieller Erfolg seien. Und auch die Boku kann ihr Jahresbudget bis auf weiteres noch kaum mit Spin-Offs wie F-Star aufbessern. "Natürlich können wir uns seit dem Universitätsgesetz 2002 Beteiligungen sicherstellen, wenn Ausgründungen Geld generieren. Aber zu dem Zeitpunkt, an dem etwas bei uns erfunden wird, sind finanzielle Rückflüsse fern, sodass wir erst viel später Geld sehen", sagt Bernhard Koch, verantwortlich für den Technologietransfer bei der Boku. US-Vergleichszahlen zeigen, dass das zehn bis 15 Jahre dauert, bis sich das Rad selbst finanziert.

Wenn überhaupt. "F-Star hat außerordentlich gut funktioniert. Andere Firmen gehen hingegen pleite", so Koch. Die Boku habe die Rechte an Rükers Erfindung an dessen F-Star übertragen. "Erst im Erfolgsfall bekommen wir eine prozentuelle Abgeltung", sagt er. Jedoch vergebe F-Star, das in die Freiheit entlassen wurde, in der Zwischenzeit Forschungsaufträge an die Uni. Jährlich hat die Boku eine bis fünf Gründungen in der Pipeline.