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Forschung gegen Vorurteile

Von Imke Zimmermann, ap

Wissen

Blondinen sind blöd, Dunkelhäutige dümmer als Weiße. Das sind reine Vorurteile, doch verfehlen sie ihre Wirkung nicht, wie die Sozialpsychologie herausgefunden hat. Studien zufolge leisten die Betroffenen bei Tests weniger, wenn sie zuvor mit solchen negativen Vorurteilen konfrontiert wurden. Der Bremer Sozialpsychologe Jens Förster geht noch weiter: Positive Stereotypen können ebenfalls Probleme produzieren, und negative haben auch ihr Gutes.


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In einem von der Deutschen Forschungsgesellschaft geförderten Projekt untersucht Förster mit seinen Mitarbeitern den Einfluss von Vorurteilen auf die Leistung. Seine Theorie: Menschen mit negativen Erwartungen an sich selbst schneiden unter Zeitdruck schlechter ab als andere, denn sie gehen langsamer vor. Dafür sind sie aber vorsichtiger und analytischer als Menschen unter dem Einfluss eines positiven Vorurteils, die zwar schneller und kreativer arbeiten, jedoch insgesamt ungenauer.

Für den ersten Abschnitt des Vorhabens, das 2003 begann, ersann Förster unter anderem ein Projekt zum Vorurteil "Dummes Blondchen". Die Versuchsanordnung: 80 Bremer Studentinnen, 40 davon Blondinen, wurden zu einem angeblichen Intelligenztest gebeten, der tatsächlich Schnelligkeit und Genauigkeit maß. Zuvor sollten die Frauen Witze lesen. Einige fanden in der Sammlung auch Blondinenwitze, andere nicht.

Bei dem Versuch kam heraus: Diejenigen Blondinen, die Witze über sich gelesen hatten, lösten bei dem Test weniger Aufgaben als von Vorurteilen verschont gebliebene Blondinen oder Frauen mit anderer Haarfarbe. Allerdings machten sie auch weniger Fehler, denn die anderen Probandinnen gingen sorgloser zu Werke.

Dass Prüfungsstress nachteilig für Menschen unter dem Eindruck negativer Stereotype ist, hat Förster inzwischen nicht nur bei Erwachsenen, sondern schon bei Kindern nachweisen können. Acht- bis Zwölfjährige wurden danach mit dem Vorurteil konfrontiert, Mädchen könnten schlechter rechnen als Buben - im Test schnitten die Mädchen prompt schlechter ab.

Es sind solche Befunde, die Förster sagen lassen: "Im zweiten Abschnitt des Projekts wollen wir uns jetzt die Felder vornehmen, die wirklich relevant sind, zum Beispiel die Schule." Herausfinden will er etwa, welche praktischen Konsequenzen Lehrer aus der Vorurteilsforschung ziehen können. "Wir wollen zum Beispiel den Zeitrahmen lockern. Wie würde es sich auswirken, den Kindern eine Stunde mehr Zeit einzuräumen oder ganz ohne Zeitrahmen zu arbeiten, sollte man das für sinnvoll halten?"

Auch will sich Förster jetzt die Senioren vornehmen, die einen zahlenmäßig immer größeren Anteil der Gesellschaft ausmachen. Försters Ansatz: Laut US-Studien können diese sich noch weniger merken, wenn sie mit dem Vorurteil konfrontiert würden, bei alten Menschen lasse das Gedächtnis nach. "Die Frage ist doch, ob sich die Gedächtnisleistung nicht mit einfachen Mitteln steigern ließe", sagt der Sozialpsychologe.

Ein solches Mittel könnte die Bewusstseinsbildung der Betroffenen sein. Zwar sind Vorurteile laut Experten hartnäckig im Gedächtnis verankert und lassen sich nur schwer verlernen. Aber: "Vielleicht muss man den Mädchen nur klar machen, dass sie deshalb schlechter rechnen, weil sie unter dem Eindruck eines Vorurteils stehen", so Förster. "Wenn sie trotzig werden und sich sagen: 'Jetzt erst recht', bessert sich die Leistung unter Umständen schon."

Sich wehren können: Das könnte Gegenstand des dritten Forschungsabschnitts sein. "Vielleicht könnten wir ganz praktische Trainings entwickeln, die gegen negative Einflüsse wirken", sagt Förster. Ob es dazu kommt, ist aber noch offen: "Erst müssen wir die nächsten Ergebnisse abwarten, daraus wird sich dann der Fortgang des Projekts entwickeln."