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Forschung ins Blaue gehört mehr geschätzt

Von Heiner Boberski

Wissen

Experten plädieren für Freiheit der Grundlagenforschung. Universitäten sollten mehr ihre Qualität als Kooperationen mit der Wirtschaft ausbauen.


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Wien. Warum ist der Himmel blau? Wer auf so eine Frage eine Antwort sucht, handelt aus reiner Neugier. Er denkt noch nicht an eine praktische Anwendung seiner Forschung, etwa an bessere Therapien von Krankheiten oder an neue Formen der Kommunikation oder der Energiegewinnung.

Doch der Nutzen von ergebnisoffener "Blue Sky Research", die im angelsächsischen Raum mehr gefördert wird als bei uns, kann groß sein. "Oft findet man dabei nicht das heraus, was man sich gewünscht hat, aber Wichtigeres", sagte Pascale Ehrenfreund, Präsidentin des Wissenschaftsfonds FWF, in einer Diskussion zum Thema "Was Grundlagenforschung im Innovationsprozess leistet" am Mittwochabend im "Club Research" in Wien. Bekannte Resultate einer nicht direkt auf Anwendung zielenden Forschung waren etwa das Penicillin, die Lasertechnik oder das Internet.

Dabei bedeute "Blue-Sky-Forschung" nicht, dass man in der Wiese liege und in den Himmel schaue, betonte der Quantenphysiker Markus Arndt von der Universität Wien: "Das ist harte, fokussierte Arbeit, die aber nicht gleich zu einem Produkt führt." Natürlich ist damit auch das Risiko des Scheiterns verbunden.

Zeit und Vertrauen

Nötig seien heute "tabuisierte" Kategorien wie Zeit und Vertrauen, sagte Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Vizerektorin der Uni Wien. Man müsse einem Forscher Zeit geben - für große naturwissenschaftliche Projekte seien das mindestens sechs Jahre - und ihm Vertrauen entgegenbringen, dass das investierte Geld sinnvoll angelegt sei. Ein gutes Buchprojekt eines Geisteswissenschafters, der zu einem Thema schon viel akkumuliert habe, könne in etwa einem Jahr verwirklicht werden.

Weigelin-Schwiedrzik erinnerte daran, dass Westeuropa dem Osten vor etwa 40 Jahren die Freiheit der Forschung vorausgehabt habe. Heute sei diese bedroht, auch durch die Leistungsvereinbarungen zwischen dem Ministerium und den Universitäten. Als sich die Uni Wien geweigert habe, ihren Forschern Schwerpunkte vorzugeben, hätte es in Briefen aus dem Ministerium geheißen, das Rektorat sei nicht in der Lage, die Universität zu leiten.

Dass die Grundlagenforschung für Innovationen bedeutsam ist, bestätigte Jürgen Janger vom Institut für Wirtschaftsforschung. Der Anteil der wissenschaftlichen Literatur in den Zitationen eines Patents hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf 15 Prozent verdoppelt. Als Grundlagenforscher ausgebildete Universitätsabgänger bringen Wissen in die Unternehmen. Janger befürwortet eine "Konzentration auf die Qualität von Forschung und Lehre statt weiteren Ausbau der Förderung von Kooperation zwischen Universitäten und Unternehmen". Denn sonst komme die wichtige "Blue-Sky-Forschung" zu kurz.

Dem konnte sich auch Gerhard Murer, Leiter der Forschung bei der vor allem Mess- und Analysegeräte herstellenden Anton Paar GmbH, anschließen. Es gebe in Österreich eine "sehr gute Infrastruktur" für die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, viel Geld sei da hineingeflossen. Doch nun müsse man im Interesse künftiger Generationen darauf achten, dass nicht zu wenig in Grundlagenforschung investiert werde.

Unterstützt von Janger und Arndt sprach sich Pascale Ehrenfreund gegen das derzeit gängige "Stop and go" in der Forschungsfinanzierung aus: "Wir brauchen eine stabile, langfristige Finanzierung, und die kann nur von der öffentlichen Hand erfolgen."