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Forschung ist Mut zum Risiko

Von Eva Stanzl

Wissen
Förderungen sichern ab: Bisher flossen mehr als 350 Millionen Euro an ERC-Mitteln nach Österreich.
© fotolia/leksets

Exzellenzförderung: Fast drei Viertel der europäischen Top-Forschungsprojekte erzielen wissenschaftliche Durchbrüche.


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Wien. Muss es gleich das Smartphone sein, das den Alltag umgekrempelt hat? Oder ein revolutionäres neues Medikament? Das muss es nicht, doch ohne Grundlagenforschung könnte es all diese neuen Produkte und Entwicklungen, die Umsätze machen, Volkswirtschaften stützen und Arbeitsplätze sichern, gar nicht geben. Grundlagenwissenschaft ist der erste Schritt für neue Wege zu Problemlösungen. Sie bringt etwa Marker zur Früherkennung von Krebs, neue Speichertechnologien oder auch Methoden der Quanten-Verschlüsselung hervor.

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) fördert exzellente Grundlagenforschung. Über 63.000 Projekte wurden seit 2007 eingereicht, knapp 7000 davon tatsächlich unterstützt, von denen rund 150 aus Österreich stammen. Jüngst etwa erhielten 16 in Österreich tätige Nachwuchsforscher einen Starting Grant des ERC.

Mit ERC-Grants verbunden sind Förderungen von je 1,5 Millionen bis zu 2,5 Millionen Euro und eine Art Stempel als "Europäischer Top-Forscher". Eine Evaluierung zeigt nun, wie erfolgreich die prämierten Biologen, Mediziner, Mathematiker, Historiker, Physiker und Akademiker aller anderen Forschungsgebiete sind: Fast drei Viertel aller Preisträger erreichen ihre Projektziele und haben wissenschaftlichen Erfolg.

73 Prozent der Wissenschafter, die ihre fünfjährigen Projekte im Zeitraum bis 2014 vollendeten, machten entscheidende Fortschritte in ihrem Fach, 25 Prozent davon erzielten sogar einen wissenschaftlichen Durchbruch. Das ist das Ergebnis der Begutachtung durch unabhängige Experten, die die Fortschritte alljährlich unter die Lupe nimmt. 27 Prozent der Projekte gingen jedoch kaum bis gar nicht auf. Sie hatten wenig bis gar keine Auswirkungen auf den wissenschaftlichen Fortschritt.

Die vierköpfige Jury evaluierte eine Stichprobe von 155 Projekten, die bis Ende 2014 abgeschlossen worden waren. Sie bewertete die Ergebnisse anhand von neun Fragen. Die Fragen zielten darauf ab, ob die Arbeit Wissensforschritte und neue Methoden hervorbrachte, ob sie neue Hypothesen aufwarf und welche Auswirkungen sie auf andere Forschungsgebiete hat. Auch Interdisziplinarität, Risikobereitschaft und mögliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft zählten zu den Kriterien.

Der ERC sieht seit dem Jahr 2007 seine Aufgabe darin, "qualitativ höchstwertige Forschung in Europa zu fördern und Pionierforschung in allen Fachbereichen zu unterstützen", heißt es auf der Website des Rats. Die ERC-Förderungen sind offen für Wissenschafter jedes Alters und Fachbereichs sowie jeder Nationalität, die in Europa an bahnbrechenden, wegweisenden Projekten mit hohem Risiko forschen wollen. Das einzige Selektionskriterium dabei ist "wissenschaftliche Exzellenz".

Als Fördergeber könnte der ERC allerdings selbst ein wenig risikofreudiger agieren, stellen die Evaluatoren fest: Nur elf Prozent der Projekte seien hochriskant. Mehr Risikofreude wäre durchaus angebracht, weil ja der Gewinn so hoch sein könnte, meinen die Experten. Allerdings räumen sie ein, dass sich gerade unter den gescheiterten 27 Prozent sehr viele risikoreiche Projekte befanden.

Österreich an elfter Stelle

"Bereits wir wünschten uns mehr Risiko. Aber die Auswahl-Panels sind sehr konservativ, um sicherzugehen, dass die Projekte realistisch sind", sagt die Soziologin und Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny, ERC-Gründungsmitglied und dessen Präsidentin von 2010 bis 2013. "Ansonsten könnte es heißen, dass Geld ausgegeben würde, ohne dass etwas dabei herauskommt. Würde man zu 100 Prozent nur risikoreiche Projekte vergeben, wäre die Anzahl jener, die nichts Wunderbares herausbringen, nämlich sehr hoch."

Mit fast 150 Starting und Advanced Grants liegt Österreich an elfter Stelle in Europa. Auf den ersten Plätzen liegen Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Bei den Technologiegesprächen des Forum Alpbach hatte Wissenschaftsminister Harald Mahrer angekündigt, die Zahl der ERC-Grants nun durch Anreizsysteme verdoppeln zu wollen.