Forschungsrats-Chef Androsch will mit halber Mannschaft starten. | Wissenschaftsministerin nominiert ihre Räte möglicherweise früher. | Alpbach. Wenn keine Forschungsstrategie, dann kein Forschungsrat? Nun, mitnichten. Zumindest, wenn es nach dem designierten Ratspräsidenten Hannes Androsch geht. Er will nämlich nun mit halber Mannschaft starten: Mitte September will er die konstituierende Sitzung des Beratungsgremiums der Bundesregierung abhalten, egal, ob Wissenschaftsministerin Beatrix Karl bis dahin ihre Kandidaten nominiert hat oder nicht.
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Die acht Mitglieder des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) werden je zur Hälfte von den Ministerien für Wissenschaft und Infrastruktur bestellt. Die Amtsperiode des derzeitigen Gremiums läuft Anfang September aus. Androsch, Aufsichtsratschef des Austrian Institute of Technology, war am Donnerstag von Infrastrukturministerin Doris Bures zusammen mit drei Frauen als neue Mitglieder in den RFT nominiert worden. Wissenschaftsministerin Beatrix Karl hatte dagegen angekündigt, ihre vier Mitglieder erst nach Vorliegen der geplanten und nun verschobenen Forschungsstrategie zu nominieren (die "Wiener Zeitung" berichtete).
Schlüssel wurden übergeben
"Ich habe die Schlüsselübergabe gemacht", bestätigte Noch-Vorsitzender Knut Consemüller am Freitag die Marschrichtung. Sein Nachfolger Androsch erklärte, "auf Basis der gesetzlichen Grundlagen" zu arbeiten beginnen zu wollen, "noch bevor die vier Kollegen nominiert werden, um ein gesetzeswidriges Interregnum zu vermeiden". "Wir werden halt als Rumpfregierung tätig sein", meint er augenzwinkernd.
Die Ressourcen seien zwar begrenzt - "das heißt, wir können nicht alles machen", sagte Androsch. Zu seinen Schwerpunkten zähle die weitere Förderung der derzeit 16 Kompetenzzentren sowie Neugründungen in diesem Bereich. Auch die Akademie der Wissenschaften, die "massive Kürzungen" erfahren habe, brauche mehr Geld. Ebenso müssen die Unis höher dotiert werden, weil diese sich "real auf dem Niveau von 1999 befinden, unter anderem weil sie Miete an die Bundesimmobiliengesellschaft zahlen müssen, damit sich der Staatshaushalt saniert." Wer beabsichtige, dem Wissenschaftsressort 1,3 Prozent des Budgets kürzen, würde "einem Hungernden die halbe Schüssel wegnehmen".
Androsch sprach sich auch für die Anhebung der steuerlichen Forschungsprämie für Unternehmen von acht auf zwölf Prozent aus. Zudem sei es "nicht akzeptabel, wenn die Finanzverwaltung die Absetzbeträge für die indirekte Forschungsförderung "plötzlich infrage stellt und nachversteuern lässt", sagte er.
Woher kommt das Geld für diese Maßnahmen? Der Industrielle sprach sich einmal mehr dafür aus, das vom Rechnungshof und vom Wirtschaftsforschungsinstitut geortete Einsparungspotenzial von elf Milliarden Euro im öffentlichen Bereich und bei den ÖBB zu heben. Wodurch erstens das Budget konsolidiert würde und zweitens mehr Geld für Bildung und Forschung bliebe anstatt "eine sehr hohe Steuer für öffentliche Verschwendung".
Ministerin: "Keine Blockade"
Im Wissenschaftsministerium verweist man darauf, dass laut Gesetz der Forschungsrat aus acht Mitgliedern zu bestehen habe und erst ab sechs Räten beschlussfähig sei. Dennoch wolle man die Konstituierung des Rats nicht blockieren. "Wir werden ausloten, wie der weitere Fahrplan ist. Es wäre natürlich ein schönerer Weg, wenn wir unsere Kandidaten ansprechen könnten und dabei die Richtung schon wissen. Aber wenn die nationale Forschungsstrategie nicht bald beschlossen wird, könnte es sein, dass auch wir früher besetzen", räumte Ministerin Beatrix Karl im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ein. Sie gehe jedoch weiterhin davon aus, dass die Strategie trotz Verschiebung bald kommen werde, denn "es wäre mutlos, aus budgetären Gründen die Strategie über Bord zu werfen, die wir gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten brauchen."
Fest hält Karl auch an ihrer Idee, im Rahmen des Forum Alpbach eigene Forschungsgespräche abhalten zu wollen. Dabei handle es sich nicht etwa um eine Konkurrenzveranstaltung zu den Technologiegesprächen, sondern um eine "Erweiterung und Ergänzung". Im Zuge solcher Forschungsgespräche solle die Grundlagenforschung verstärkt nach Alpbach geholt werden, etwa aus Bereichen wie Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften, Archäologie oder Kunst.