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Ja, der Rechnungshof hat recht: Ganz zweifellos gibt es ein fast unüberschaubares Netzwerk aus einer Vielzahl kleiner und kleinster sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen, die am Fördertropf des Wissenschaftsministeriums (und anderer Geldgeber) hängen. Und ja, diesen Wildwuchs gilt es zu bereinigen. Schließlich geht es, das wird in politischen Diskussionen um Fördergelder viel zu oft übersehen, um das Geld der Steuerzahler.
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Dennoch darf die richtige und wichtige Empfehlung des Rechnungshofes nicht als Aufruf zu einem Kahlschlag in diesem Bereich missverstanden werden.
Die Vielzahl dieser Klein- und Kleinstinstitute entstand in den siebziger Jahren, als die Universitäten noch relativ wenig Praxisbewusstsein aufwiesen. Zum Ausgleich schossen außeruniversitäre sozialwissenschaftliche Institute wie Schwammerln aus dem Boden. Fragen von Migration, Emanzipation, Jugend, Rassismus, Familie etc. wurden ins Leben gerufen. Nicht selten hatten dabei, wie es in Österreich die Regel ist, auch die Parteien ihre Finger im Spiel, um ihre ideologischen Vorlieben mit wissenschaftlichen Argumenten zu untermauern.
Aber in den meisten dieser Bereiche haben die Universitäten heute spürbar aufgerüstet. Ein Nachdenken über die Sinnhaftigkeit von staatlich finanzierten Doppelgleisigkeiten ist daher zumindest legitim.
Grundsätzlich trifft all dies auch für den außenpolitischen Bereich zu, nur kann hier von einer Überversorgung kaum die Rede sein. Tatsächlich ist es mit internationaler Expertise in Österreich eher schlecht bestellt. An den diversen Universitätsinstituten sind vor allem Nischentheoretiker dicht gesät, woran es mangelt, ist konkrete Expertise für konkrete Themen und Räume, die für Österreich von strategischem wirtschaftlichem und politischem Interesse sind.
Die unmittelbare Nachbarschaft inklusive des gesamten südosteuropäischen Raumes müssen hier zuallererst genannt werden; dazu zählen aber auch die Schwarzmeer-Region, der Kaukasus und natürlich die großen internationalen Spieler wie Russland, die USA, China oder Indien. Was in diesen Räumen vorgeht, betrifft auch Österreich - wirtschaftlich, politisch und kulturell.
Als Österreich plötzlich Soldaten in den Tschad entsandte, war niemand bei der Hand, der den Bürgern erklären konnte, was tief in Afrika vor sich geht und warum wir uns dort engagieren. Das ist nicht wenigen Österreichern übrigens auch in Bezug auf Europa nicht wirklich klar. Umso dringender ist unabhängige Fachexpertise über die komplizierten Vorgänge in Brüssel - für Bürger, Medien und Parteien.
In Sachen Außen- und Sicherheitspolitik könnte Österreich also eher mehr als weniger Experten und Fachwissen gebrauchen. Hoffentlich wird das bei der Umsetzung der Sparpläne berücksichtigt.
Siehe auch:Die Kleinen werden zuerst gefressen