Mehr Geld fürs Bundesheer ist Konsens, aber das Vorgehen ist - gerade mit dem Krieg im Blick - schlechter Stil.
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Nicht der Glaube versetzt die größten Berge, es ist die Angst. Die Schockwelle des Krieges rund um die Ukraine ist Europas Äquivalent der islamistischen Terroranschläge vom 11. September 2001: eine Zäsur, welche die Sicherheitspolitik von Grund auf neu ausrichtet, den bisherigen Zugang vom Kopf auf die Füße stellt.
Mehr als 30 Jahre lang haben sämtliche Regierungen dieser Republik die in der Verfassung verankerte Landesverteidigung zur Mangelverwaltung verurteilt. Selbst als Leuchtturmprojekte intendierte Investitionen wie die Eurofighter gerieten, überschattet von schwerem Korruptionsverdacht, zur Farce. Möglich war dies, weil Österreichs Elite überzeugt war, sich unter dem Deckmantel der Neutralität aus der sicherheitspolitischen Realität ausklinken zu können. Russlands Angriffskrieg hat diesen Selbstbetrug gründlich abgeräumt.
Unter dem Eindruck des Krieges soll das Bundesheer in die neue Realität katapultiert werden. Ein 10 Milliarden Euro schwerer Investitionstopf, von der Regierung "Neutralitätsfonds" gebranded, soll eingerichtet werden, um dringend notwendige Beschaffungen zu finanzieren. Darüber hinaus soll der Verteidigungsetat von derzeit 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 1,5 Prozent bis 2027 mehr als verdoppelt werden.
Diese Summen sind bisher lediglich die Wünsche von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), beim Koalitionspartner der ÖVP, den Grünen, ist man zwar grundsätzlich zu Mehrausgaben für das Heer bereit, will aber von den von Tanner genannten Summen noch nichts wissen. Zuerst zumindest Konsens in der Koalition herzustellen und dann um die Zustimmung der Opposition zu werben, hätte das Zeichen einer neuen Ernsthaftigkeit auch und insbesondere der Kanzlerpartei sein können.
Nicht einmal mit dem Krieg vor Augen findet Österreichs Politik zu einem Stil- und Strategiewechsel in staatspolitisch existenziellen Fragen. Man fragt sich unweigerlich, ob sie, die Politik, nicht anders will oder einfach nicht anders kann.
Unweigerlich wird die unausweichliche substanzielle Erhöhung des Verteidigungsbudgets zu einer Debatte über all die fehlenden Mittel für Pflege, Klimaschutz und andere wichtige Bereiche führen.
Dieser Konflikt um beschränkte Ressourcen ist der Kern von Politik. Doch ein Staat, der es zulässt, dass von seinen tragenden Parteien die eine existenzielle Aufgabe gegen eine andere ausgespielt wird, nimmt sich selbst aus dem Spiel als ernstzunehmender und vertrauenswürdiger Akteur.