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Fortschritt mit Eigennutz

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Die Überraschung im polit-medialen Milieu war groß: Da treffen sich - im Schatten eines allseits erschöpften und erschöpfenden Präsidentschaftswahlkampfs - die seit Jahrzehnten zu Erzfeinden hochgejazzten Parteichefs von SPÖ und FPÖ vor laufenden Kameras und Mikrofonen, und siehe da: Heraus kommt ein gesittetes, fast schon amikales Gespräch, das nicht mehr als die in solchen eingeübten Situationen unbedingt notwendigen Abrechnungen, Aufrechnungen und Gemeinheiten enthält.

Dass unmittelbar im Anschluss nun die Chancen für eine rot-blaue Koalition nach der bekannt todsicheren Formel "Daumen mal Pi" taxiert werden, sagt dann wiederum mehr über den Zustand des heimischen Journalismus aus, als diesem lieb sein kann. (Dass die beteiligten Parteien genau dies seit 30 Jahren selbst vorexerzieren, ändert daran nichts; man stürzt sich ja auch nicht selbst aus dem Fenster, nur weil das Gegenüber das gerade vormacht.)

Für Österreich stellt es bereits einen Wert an sich dar, dass Bundeskanzler und Oppositionschef vor wahlberechtigten Dritten in der Lage sind, ein gesittetes Gespräch über allfällige politische Gemeinsamkeiten und Differenzen in Stil und Inhalt öffentlich auszutragen. Und auch dieser Umstand sagt leider mehr über das Land und seine politische Kultur aus, als uns Bürgern lieb sein kann. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich sowohl Christian Kern als auch Heinz-Christian Strache von dieser neuen Tonalität ein besseres Blatt im nächsten Spiel um Macht und Jobs erhoffen. Eigennutz zählt auch in der Politik zu den erwartbaren und zulässigen Handlungsanleitungen.

Jetzt fehlt eigentlich nicht mehr viel, und Österreich würde zu jener konstruktiven Demokratie, die zu bekommen es ein Anrecht hat, finden: Zum Beispiel der ständigen Versuchung für Regierungsparteien, jederzeit, wenn es eben gerade passt, und mit einfachster Mehrheit den Absprung in vorzeitige Neuwahlen zu suchen, einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Eine Lösung, wie es das deutsche Modell des konstruktiven Misstrauensvotums darstellt, würde sicherstellen, dass Legislaturperioden nicht nach parteipolitischem Belieben abgekürzt werden. Und neue Konzepte wagen. Warum nicht eine handlungsmutige Minderheitsregierung oder Dreier- und Vierer-Koalitionen. Demokratie braucht Bewegung, um gedeihen zu können.