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Fortschritte an der Medikamentenfront

Von Alexandra Grass

Wissen

Remdesivir wurde in Europa als Mittel gegen Covid-19 zugelassen. Neue Corona-Variante infektiöser als Urform aus China.


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Ob Medikament oder Impfung im Kampf gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 - die weltweite Suche nach heilenden beziehungsweise schützenden Substanzen hält an. In mancher Hinsicht scheint man auch schon fündig geworden zu sein. So galt zuletzt der Wirkstoff Remdesivir als großer Hoffnungsträger. Erst Ende Juni hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA erstmals grünes Licht für die offizielle Zulassung gegeben. Am Freitag hat die EU-Kommission den Wirkstoff in Europa unter Auflagen als erstes Mittel zur Covid-19-Therapie zugelassen. Zwar gilt es nicht als Allheilmittel, aber als Lichtblick für die Betroffenen.

Die Fortschritte auf der Medikamentenfront sind wohl nicht mehr aufzuhalten. Das ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelte Remdesivir ist bereits in einigen Ländern, darunter in den USA, in Notfällen zur Behandlung zugelassen.

Behandlungsdauer verkürzt

In klinischen Studien hatte es die Behandlungsdauer bei Covid-19 deutlich verkürzt. Laut Forschern dürfte es vor allem bei früher Anwendung einen Effekt durch seine antiviralen Eigenschaften haben. Die EMA empfiehlt die Behandlung für Patienten ab zwölf Jahren, die eine Lungenentzündung haben und mit Sauerstoff versorgt werden müssen.

Die US-Regierung hatte diese Woche eine Vereinbarung mit dem herstellenden Pharmakonzern Gilead Sciences bekanntgegeben, wonach sie fast die gesamte Produktionsmenge des Mittels für die nächsten Monate aufgekauft hat. In Österreich sei genug vorhanden. Auch wird es schon im Rahmen eines sogenannten "Compassionate Use"-Programms von Gilead an spezialisierten Spitalsabteilungen längst verwendet. Die EU arbeitet an einem Beschaffungssystem, um sich ausreichende Mengen des Wirkstoffs zu sichern. "Die heutige Zulassung eines ersten Medikaments zur Behandlung von Covid-19 ist ein wichtiger Fortschritt im Kampf gegen das Virus", betonte EU-Gesundheitskommissarin Stelle Kyriakides. Sie sei im Schnellverfahren weniger als einen Monat nach dem Antrag ergangen.

Arthritis-Mittel soll wirken

Ein weiteres Mittel dürfte bei einem schweren Covid-19-Verlauf einen sehr positiven Effekt haben, wie nun eine Beobachtungsstudie zeigt. Das in der Behandlung von chronischer Polyarthritis seit Jahren mit guter Wirkung eingesetzte Tocilizumab könne laut italienischen Infektiologen per subkutaner Injektion verwendet werden.

Tocilizumab bremst den starken entzündungsfördernden Immunbotenstoff Interleukin-6 ein und verhindert damit einen sogenannten "Zytokinsturm". Bei schweren Covid-19-Verläufen kommt es häufig zu einer massiv verstärkten Immun- und Entzündungsreaktion, was zu Lungen- und Multiorganversagen führen kann. Genau das kann mit Tocilizumab vermieden werden. Bei keinem der beobachteten Patienten entwickelte sich ein solcher Zytokinsturm, berichten die Forscher von der Infektionsabteilung des Annunziata-Spitals in Cosenza in Kalabrien laut "Lancet" im Fachblatt "EClinicalMedicine".

Hingegen ist das Arthritis-Medikament Kevzara von Sanofi und Regeneron bei Tests in den USA durchgefallen. Die Hauptziele der Studie seien nicht erreicht worden. Eine separate Studie außerhalb der USA laufe noch. Der Schweizer Pharmakonzern Roche testet zeitgleich seine Arthritis-Arznei Actemra zur Behandlung von schweren Lungenentzündungen bei Coronavirus-Patienten.

Neue Variante ist Pandemie

Unterdessen berichtet ein internationales Forscherteam Details zur derzeit weltweit vorherrschenden Corona-Variante. Diese Mutation befällt ihrer Studie zufolge die menschlichen Zellen leichter als der ursprüngliche Erreger aus China. Die Virusart könnte ansteckender sein als die aufgetretene Urform, heißt es im Fachblatt "Cell". Ob es damit für den Menschen gefährlicher wird, ist aber unklar. In Labortests war die Fähigkeit dieser Virusvariante, menschliche Zellen zu befallen, drei bis sechs Mal höher. Ungewiss sei auch, ob die Variante schwerere Erkrankungen auslöse.

In einem Kommentar zur Studie schrieb der Virologe Nathan Grubaugh von der Yale School oft Public Health, Fakt sei, "die neue Variante ist nun die Pandemie". Für die Menschen aber ändere sich dadurch nur wenig: Auch wenn dies die Entwicklung eines Medikaments oder eines Impfstoffes beeinflussen könnte, "rechnen wir nicht damit, dass D614G unsere Kontrollmaßnahmen ändern oder die einzelnen Infektionen verschlimmern wird."

18 Impfstoffkandidaten

Auch auf der Impfstofffront überschlagen sich die Meldungen täglich. Bis Ende des Jahres könnte es eine Vakzine geben, heißt es aktuell. Der WHO zufolge seien derzeit 18 Kandidaten in der klinischen Phase. Der Impfstoff von Moderna soll ab Ende Juli, Anfang August in die Phase III übergehen. Auch Pfizer und das deutsche Biotech-Unternehmen BioNTech berichten weiterhin von positiven Daten. In den Phasen I und II zeigen sich ein gutes Ansprechen der Immunisierung und eine gute Verträglichkeit, heißt es in einer Studienzusammenfassung, die allerdings noch nicht durch ein Peer Review-Verfahren abgesichert ist.

Das Pharmaunternehmen AstraZeneca, das sich bei der Impfstoffentwicklung mit der Universität Oxford zusammengeschlossen hat, hofft, im Herbst dieses Jahres Ergebnisse aus den größeren Phase-II/III-Studien liefern zu können. Die weltweite Lieferkapazität für mehr als zwei Milliarden Dosen sei gesichert.