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Fotopionier Kodak ist pleite

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Foto aus besseren Zeiten: Kodak verdiente mit Kleinbild-Analogfilmen viel Geld.

Fotopioniere haben den Wettbewerb gegen japanische Hersteller verloren.


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New York/Wien. Foto-Pionier Kodak ist pleite. Das 130 Jahre alte amerikanische Traditionsunternehmen hat am Donnerstag Insolvenz nach Chapter Eleven des US-Insolvenzrechts beantragt. Der einstige Foto-Gigant hat in der Branche schon lange nichts mehr mitzureden: "Kodak war jahrzehntelang der gelbe Riese in der Foto-Branche. Seit fünf bis zehn Jahren spielt die Marke aber fast keine Rolle mehr. Die Firma hat den Zug der Zeit völlig verschlafen", sagt Gerhard Heyduck, Geschäftsführer des Fotohändlers United Camera in Wien.

Seit dem Jahr 2003 wurden bei Kodak 47.000 Arbeitsplätze gestrichen und 13 Fabriken dichtgemacht. Das Unternehmen mit Sitz in Rochester unweit von New York beschäftigte zuletzt weltweit noch rund 17.000 Mitarbeiter.

Eastman Kodak, wie das Unternehmen vollständig heißt, hat die analoge Fotografie entscheidend geprägt. Unter anderem brachte Kodak 1888 die erste Kamera für Endverbraucher auf den Markt. Mit dem Wechsel zu Digitalkameras mit Speicherchips hatte der US-Konzern jedoch massive Probleme und verlor den Anschluss an japanische Konkurrenten wie Canon, Sony und Nikon. Tragende Säulen wie der Fotofilm brachen praktisch komplett weg. Versuche, in neue Geschäftsbereiche zu gehen, schlugen fehl.

Dabei hat Kodak 1975 die Digitalkamera erfunden und hält dort diverse grundlegende Patente. Der Verkauf zieht sich jedoch hin. Zuletzt griff Kodak mit einer Serie von Patentklagen um sich. Binnen einer Woche wurden Apple, Samsung, der Smartphone-Spezialist HTC und der Erzrivale Fujifilm verklagt. In den vergangenen Jahren waren die Patent-Lizenzeinnahmen immer wieder eine wichtige Geldquelle für den mit Verlusten kämpfenden Konzern gewesen.

Insolvenz "notwendiger Schritt"

Chapter 11 schützt Kodak nun vor Forderungen der Gläubiger und gibt dem Unternehmen Zeit, sich neu aufzustellen. Die Insolvenz sei ein "notwendiger Schritt", um wieder auf die Beine zu kommen, erklärte Konzernchef Antonio Perez. Das Geschäft soll unterdessen weiterlaufen. Dafür sei mit der Citigroup eine Finanzierung von fast einer Milliarde Dollar vereinbart worden.

"Wer sich heute einen Markennamen machen will, muss Kameras herstellen", so Fotohändler Heyduck. Der japanische Fuji-Konzern, der ursprünglich Konkurrent von Kodak bei Analog-Filmen war, brachte 2011 mit der "FinePix X100" beispielsweise eine teure Kamera im Retro-Look heraus, die sich laut Heyduck als "Bombenerfolg" herausstellte.

Agfa (Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikationen) hat ebenfalls bewegte Zeiten hinter sich. Der deutsche Foto-Pionier brachte 1936 den ersten modernen Farbfilm auf den Markt. Nachdem die Agfa Gevaert Holding die Fotosparte an Investoren verkauft hatte, meldete die AgfaPhoto GmbH 2005 nur sieben Monate nach der Übernahme wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz an. Nach rund 140 Jahren gingen die Lichter für das Traditionsunternehmen aus. Die einstige Mutter, die AgfaPhoto Holding, war damals von der Insolvenz nicht betroffen. Sie bietet nun vor allem Zubehör wie Speicherkarten sowie ein Sortiment an Analog-Filmen an.

Der für seine Schwarz-Weiß-Filme bekannte Hersteller Ilford, gegründet 1879, meldete 2004 Insolvenz an. Unter der Marke werden nun Schwarz-Weiß-Fotofilme sowie hochwertiges Druckerpapier angeboten.

Der Markt fürs Foto-Ausdrucken daheim ist nach einem Boom in den ersten Jahren der Digitalfotografie sehr klein. "Bei Preisen um 7 Cent für einen Fotoausdruck im Handel druckt fast niemand mehr seine Fotos zuhause aus", sagt Heyduck.

Analog-Fotografie in Schwarz-

Weiß boomt bei Jüngeren

Sehr wohl im Trend liegt hingegen analoge Schwarz-Weiß-Fotografie - vor allem bei den 15- bis 25-Jährigen, beobachtet Heyduck: "Diese jüngeren Kunden kaufen sich eine gebrauchte, ältere Analog-Kamera und entwickeln zum Teil ihre Fotos auch selbst." 90 Prozent der Analog-Filme in seinem Sortiment seien für Schwarz-Weiß-Aufnahmen geeignet. Der Preis für einen Film sei in den vergangenen Jahren um 30 bis 40 Prozent gestiegen.

Analogfilme werden hauptsächlich von Privatkunden gekauft: Farbnegativfilme besorgen sich fast nur mehr ältere Kunden, die nicht auf digitale Kameras umsteigen wollen, sowie eine kleine Anzahl an Berufsfotografen, die für Poster und Kunstdruckbücher ablichten. "Das ist aber eine sehr schwindende Anzahl", so der Fotohändler. Farbdiafilme würden fast keine Abnehmer mehr finden.

Meilensteine der Kodak-Geschichte
Der Kodak-Konzern hat für mehr als 100 Jahren die Fotografie revolutioniert. Nach vielen Innovationen wurde das US-Unternehmen jedoch vom Siegeszug der Digitalbilder überrollt. Die Meilensteine der Kodak-Geschichte:

1880: Firmengründer George Eastman beginnt mit der Massenproduktion von Fotoplatten mit einer Beschichtung auf Gelatine-Basis. Sie sind deutlich bequemer als vorher benutzte Nass-Platten.

1884: Die Eastman-Firma erfindet statt der klobigen Fotoplatten beschichtete Papierstreifen. Sie werden auf einer Rolle befestigt.

1888: Mit einem neuen Kameramodell wird der Markenname Kodak eingeführt. Das Motto: "Du drückst den Knopf, wir machen den Rest."

1889: Eastman bringt den ersten durchsichtigen Fotofilm auf den Markt.

1891: Die Firma verkauft die erste Kamera, bei der man den Film bei Tageslicht wechseln kann.

1892: Der Name des Unternehmens wird in Eastman Kodak geändert.

1895: Der erste "Taschen-Fotoapparat" von Kodak kommt auf den Markt.

1896: Kodak vermarktet den ersten Film für bewegte Bildern.

1900: Die "Brownie"-Kamera zum Preis von nur einem Dollar macht Fotografieren für jeden zugänglich. Eine Rolle Film kostet 15 Cent.

1913: Mit einem neuen Kodak-Film beginnen auch professionelle Fotografen, Abschied von den Fotoplatten zu nehmen.

1928: Unter dem Namen "KODACOLOR" kommt der erste Farbfilm für Amateur-Filmaufnahmen auf den Markt.

1929: Kodak entwickelt den ersten Film für Kino mit Tonaufnahmen.

1932: Der erste 8-mm-Film für bewegte Bilder kommt auf den Markt. Firmengründer George Eastman stirbt.

1935: "KODACHROME" ist der erste kommerziell erfolgreiche Farbfilm für den Massenmarkt.

1942: Der erste "KODACOLOR"-Film für Negativ-Aufnahmen in Farbe.

1947: Kodak produziert seine ersten Kameras für Fernsehaufnahmen.

1962: Der weltweite Kodak-Umsatz überschreitet erstmals die Marke von einer Milliarde Dollar. Das Unternehmen hat 75.000 Mitarbeiter.

1975: Kodak erfindet die erste Digitalkamera der Welt. Sie ist groß wie ein Toaster und hat eine Auflösung von 10.000 Pixeln.

1990: Kodak entwickelt die Photo-CD, mit der Bilder auf Fernsehbildschirme gebracht werden können.

1991: Kodak baut Digital-Sensoren mit 1,3 Megapixeln in Nikon-Profikameras ein.

1995: Mit dem Modell DC40 bringt Kodak eine Digitalkamera für den Verbrauchermarkt heraus.

2006: HP-Manager Antonio Perez wird neuer Chef und will den Konzern zum Spezialisten für digitalen Druck umbauen.

2012: Kodak muss nach hohen Verlusten Insolvenz anmelden; Ziel ist eine tiefgreifende Sanierung.