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FP verschärft ihre Gangart

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

In der Debatte um die EU-Erweiterung verschärft die FPÖ ihre Gangart gegenüber Tschechien. Nachdem die Grundzüge des Gutachtens zu den Benes-Dekreten, die darin nicht als EU-Hindernis angesehen werden, seit dem Wochenende bekannt sind, drohte FP-Klubchef Karl Schweitzer gestern auch der Slowakei mit einem Veto.


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Man könne einem EU-Beitritt Tschechiens und der Slowakei nicht zustimmen, so lange die entsprechenden rechtlichen Bestimmungen gelten. Die FPÖ beruft sich auf die EU als Wertegemeinschaft. "Menschenrechte sind unteilbar und sollten es auch bleiben", zitierte Schweitzer. Voraussetzung für eine EU-Mitgliedschaft der beiden Nachbarstaaten sei die Einrichtung eines Entschädigungsfonds nach österreichischem Vorbild. Für Schweitzer sind dies "Minimalforderungen", für die er Unterstützung von der ÖVP erwartet. Vetriebenen-Sprecher Martin Graf verlangt von Tschechien und der Slowakei, sich ein Vorbild an den anderen fünf "Nachfolgestaaten von Vertreiberstaaten" zu nehmen: In Kroatien, Slowenien, Jugoslawien, Rumänien sowie Ungarn habe es Schritte zur Restitution bzw. zur Entfernung entsprechender Gesetze gegeben. Auch der Obmann der FP-Senioren, Paul Tremmel, forderte die Abschaffung der Benes-Dekrete sowie die Restitution von Vermögenswerten. Wenn dies nicht geschehe, habe Österreich die "moralische Verpflichtung", ein Veto gegen die Aufnahme Tschechiens in die EU einzulegen.

Eine Blockade der gesamten Erweiterung sei mit den FP-Forderungen nicht verbunden, so Klubchef Schweitzer. Tschechien und die Slowakei sollten aus dem Beitrittspaket herausgelöst, über sie sollte einzeln abgestimmt werden, so die Vorstellung des FP-Spitzenpolitikers.

Nur ein Beitrittsvertrag

Das ist jedoch im EU-Beitrittsprozess nicht möglich. Nur ein Kandidatenland selbst kann aus der Erweiterungsrunde ausscheiden, indem es den Beitrittsvertrag nicht verabschiedet; so geschehen etwa im Falle Norwegens. Denn pro Erweiterungsrunde gibt es einen gesamten Beitrittsvertrag für alle neuen EU-Mitglieder, der in allen alten und neuen Mitgliedstaaten sowie vom EU- Parlament ratifiziert werden muss. Sollte der Beitrittsvertrag für, aus derzeitiger Sicht, neun oder zehn neue EU-Länder im Parlament in Wien voraussichtlich im Frühjahr nächsten Jahres nicht die notwendige Mehrheit bekommen, wäre die gesamte Erweiterungsrunde blockiert.

Für die SPÖ ist nun ÖVP-Chef, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gefordert. Er müsse sich fragen lassen, wie ernst es ihm um das Projekt der Wiedervereinigung Europas sei, wenn er mit der FPÖ weiter regieren wolle, meinte SP-Europasprecher Caspar Einem.

Die Endfassung des EU-Berichts über die Benes-Dekrete ist indes schärfer ausgefallen, als erwartet. Das "Amnestiegesetz", das die Straffreistellung der an den Vertreibungen der Sudetendeutschen Beteiligten festlegte, wird als "abstoßend" qualifiziert und Tschechien eindringlich zur Anerkennung dieser Tatsache aufgefordert. Einen rechtlichen Hinderungsgrund für Tschechiens EU-Beitritt sieht die Expertenkommission weiterhin nicht.