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Die FPÖ solle sich neu gründen, fordern zahlreiche ihrer Spitzenpolitiker. Laut den "Oberösterreichischen Nachrichten" soll Heinz-Christian Strache am Dienstag suspendiert werden.
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Lange Gesichter, obwohl die John-Otti-Band und reichlich Alkohol für Stimmung sorgen: Am Sonntagabend ist in der "Prater Alm" im 2. Bezirk für viele FPÖ-Spitzenfunktionäre klar, was der Grund ist für die herbe Niederlage (minus 9,9 Prozentpunkte laut Ergebnis inklusive Briefwahlprognose am Montag): Heinz-Christian Strache und die Spesen-Affäre. Im Gespräch mit den FPÖ-Politikern wird klar, dass es nicht nur um Schuldzuweisungen, sondern auch um alte Rechnungen geht. "Nach Ibiza war klar, dass die Medien da noch mehr haben", sagt Gottfried Waldhäusl, der sich an diesem Abend wahrlich kein Blatt vor den Mund nimmt. "Ich hätte mir erwartet, dass die involvierten Leute sich zurückstellen, sich hinter die Partei stellen, schon direkt nach Ibiza", sagt Waldhäusl, sichtlich empört, in jede Kamera. "So wie Joschi Gudenus es getan hat." Die Botschaft ist klar: Strache hat die Partei in diese Situation gebracht, nun soll er weg. Direkt aussprechen will der niederösterreichische Landesrat das aber nicht. "Wäre ich an seiner Stelle, ich würde mich um meine Familie kümmern", legt er dem gefallenen Ex-Parteichef nahe.
Straches Frau Philippa, die am Montag dem Vernehmen nach auf ihr Nationalratsmandat verzichten wollte, tauchte auf der Wahlparty nicht auf. Gesprächsthema war sie trotzdem. Ob Straches Frau überhaupt ein Mandat erhält, war zudem am Montag noch unklar. Laut den Hochrechnern von Sora geht es dabei um nur 98 Stimmen: Philippa Strache kandidierte auf Platz drei der Wiener Landesliste, vor ihr ist Harald Stefan gereiht, der aber zudem noch auf Platz eins auf einer Regionalwahlliste steht. Schafft Stefan hier das Mandat, könnte auch Philippa Strache in den Nationalrat einziehen. Wenn nicht, käme Markus Tschank zum Zug - gegen ihn wird im Zuge der "Ibiza-Affäre" ermittelt.
Straches Faustpfand
Noch am Sonntagabend ist für die geschlagenen Blauen klar: Eine Neuauflage der türkis-blauen Koalition, um die die FPÖ ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Wahlkampf schon fast angebettelt hatte, wird mit einem Minus von fast zehn Prozentpunkten und den internen Problemlagen nicht möglich sein. "Aus meiner Sicht ist das kein klarer Auftrag, die Koalition fortzusetzen", sagte Generalsekretär Harald Vilimsky schon in einer ersten Reaktion auf das Ergebnis im ORF. Vilimsky will eine Neuaufstellung der Partei. Was das genau bedeutet? "Es wird eine moderne Partei sein, lassen Sie sich überraschen." Oberösterreichs blauer Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner geht in den "Oberösterreichischen Nachrichten" noch weiter: Strache werde am Dienstag von der Parteimitgleidschaft suspendiert, sagte der oberösterreichische FPÖ-Chef dem Blatt. Zwar wollte er Nachfragen bezüglich eines etwaigen Parteiausschlusses Straches nicht kommentieren, dennoch: Ess ei wichtig, eine Trennung von "gewissen Milieus" zu vollziehen.
"Die Wahl hat uns faktisch zehn Jahre zurückgeworfen", sprach auch der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger Klartext. Man müsse eine Debatte über den ehemaligen Obmann führen. Auch Abwerzger legt nahe, was schon am Dienstag nach dem "blauen Montag" passieren könnte: dass nur zwei Tage nach der Nationalratswahl die FPÖ-Karriere von Heinz-Christian Strache endgültig Geschichte ist. Immer lauter werden die Stimmen (darunter der Vorarlberger FPÖ-Chef Christof Bitschi) die in Strache einen dauerhaften Krisen- und Schlagzeilenlieferanten sehen, und es wohl besser wäre, sich des zum Problem gewordenen ehemaligen Parteichefs und Chefwahlkämpfers lieber jetzt als später zu entledigen. Ebenso möglich ist aber auch, dass die Partei Straches Mitgliedschaft nur ruhend stellt - bis die Spesen-Affäre geklärt ist. Ein solches Vorgehen hat möglicherweise nicht nur den Hintergrund, in Sachen Spesenaffäre und Ibiza auf Zeit zu spielen, um sich Sebastian Kurz eventuell doch noch als Koalitionspartner anzubieten. Auch geht in der Wiener FPÖ die Angst um, es im Herbst 2020 bei den Landtagswahlen mit einem Alleingang Straches zu tun zu bekommen. Was dieser in seinen 14 Jahren als Parteichef intern so alles gesehen und gehört hat, könnte ihm dabei durchaus zum Vorteil gereichen.
Einer wird in Zukunft wieder stärker mitreden, was die Bundespartei betrifft: Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter und Landesparteichef Manfred Haimbuchner. Noch am Wahlabend sagte dieser nicht nur klar, dass nur die Opposition für die FPÖ in Frage käme, sondern mit dem Wahlsieger Kurz nicht einmal Gespräche geführt werden sollen. Auch Haimbuchner spricht von einer "teilweisen Neuaufstellung". Nicht selten war der in Oberösterreich erfolgreiche schlagende Burschenschafter ein Konkurrenzverhältnis zu Strache nachgesagt worden, zwischen der Parteispitze in Wien und der Linzer Landespartei herrschte oft ein gespanntes Verhältnis. Haimbuchner stellt sich aber hinter die Doppelspitze Hofer-Kickl. Die oberösterreichische Partei wird in Zukunft aktiver und selbstbewusster im Bund mitreden.
"Linke Regierung" als Chance
Hofer, der seinen Plan, nochmals bei einer Bundespräsidentschaftswahl anzutreten, nie wirklich aufgegeben hat, könnte als Dritter Nationalratspräsident sich dafür in Stellung bringen - und gleichzeitig mit einer Usance brechen, indem er Parteichef bleibt.
Allein die zahlreichen Skandal-Ebenen, die sich nach der Ibiza-Affäre in den FPÖ-Wahlkampf zogen, sind aber nicht schuld an der blauen Wahlniederlage, zumindest nach dem ungarischen Politologen Peter Greko, derzeit Visiting Fellow am Institut für die Wissenschaft vom Menschen. Er habe den FPÖ-Wahlkampf "verblüfft verfolgt", sagt der Forscher zur APA. "Wenn einer Partei als Botschaft nichts anderes einfällt, als dass du Kurz bekommst, wenn du uns wählst - das finde ich sehr bizarr." Die Wahlniederlage der Freiheitlichen bedeutet jedenfalls auch einen Rückschlag für die europäische extreme Rechte. Mit der unwahrscheinlich gewordenen Neuauflage der türkis-blauen Koalition ist auch das "österreichische Modell", das der nationalistische ungarische Premier Viktor Orban allseits empfohlen hatte, Geschichte. Ein Rückschlag bedeutet aber, vor allem was die FPÖ angeht, nicht unbedingt eine nachhaltige Niederlage. Der Plan lag auch den Zuhörern am Sonntag in der "Prater Alm" offen dar: Umso besser, wenn eine "linke Regierung" im Bund käme, tönte es in Anspielung auf eine mögliche türkis-grüne Koalition von der Bühne. Dann werde man wieder die einzige Partei sein, die "Klartext" spricht, in Sachen Islam und Zuwanderung. Die FPÖ hat Wähler verloren, keine Anhänger. Ein großer Teil von ihnen flüchtete zu Kurz, ein weiterer ging nicht zur Wahl. Die extreme Rechte steht fürs Erste im Out - die Frage ist, wie lange.