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Warum der blaue Höhenflug weitergeht und Strache trotzdem nicht Kanzler wird.
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Wien. März 2011: SPÖ und ÖVP treffen sich in Umfragen bei 26 Prozent, die FPÖ schafft es mit 29 Prozent erstmals seit dem Totalabsturz 2002 wieder auf Platz 1.
März 2013: Die ÖVP stürzt mit 20 Prozent auf den niedrigsten Umfragewert, der jemals gemessen wurde, die SPÖ kommt gerade auf 24 Prozent. An der Spitze wieder die Blauen mit 27 Prozent.
"Für die Regierung sollten Alarmzeichen blinken"
Es ist kein neues Phänomen, dass sich die FPÖ zwischen den Wahlen an einer handelnden Regierung hochreibt. Doch es gibt einen Unterschied zwischen März 2011 und 2013: "2011 war ein kurzer High-Peak, dann ging es wieder zurück. Dass die FPÖ seit Monaten durchwegs an erster Stelle ist, das ist neu. Für die Regierung ein tatsächliches Alarmzeichen", sagt Meinungsforscher Peter Hajek, der diese Daten erhoben hat. Fragt sich: Ist ein Kanzler Heinz-Christian Strache mittlerweile mehr als ein schauriges Gedankenspiel seiner Gegner?
2011 schädigten der damals noch frische Strasser-Skandal und eine gegenseitige Reformblockade das Image der Regierung massiv. Doch Strache konnte den Aufwind nicht nutzen und mit dem Auftreten des Team Stronach stürzte er 2012 sogar in ein deftiges Zwischentief. Nun ist Stronach weg und seine Wähler zu einem guten Teil wieder bei Strache.
Gestärkt um diese alten, neuen Wähler hat Strache mit der EU-Wahl im Mai und dem Budgetbeschluss im April zwei Kirtage, auf denen er tanzen kann - Bierzelt inklusive. Vor der EU-Wahl wird Strache, so ist zu hören, eine ähnliche Volksabstimmung wie in der Schweiz fordern. Dort sprach sich eine Mehrheit für Zuwanderungsquoten aus. Dass Österreich als EU-Mitglied rechtlich weniger Spielraum als die Eidgenossen hat, die Zuwanderung aus EU-Ländern zu beschränken, wird ihn dabei nicht kratzen.
Und schon einen Monat vor der EU-Wahl kann die FPÖ wieder aus allen Rohren gegen die Regierung Feuern, wenn Finanzminister Michael Spindelegger am 29. April seine Budgetrede hält. Der steckt in einer budgetären Sackgasse: Wirtschaftsforscher sagen, dass die beschlossenen Sparmaßnahmen und neuen Steuern (Tabak, Autofahren, Alkohol) nicht reichen, um das bis 2016 festgeschriebene Nulldefizit zu erreichen. Die Kosten für die Hypo sind in dieser Prognose noch gar nicht mitgerechnet. In der Debatte um die Hypo hat Spindelegger ein weiteres Sparpaket gleich gar nicht mehr ausgeschlossen. Kommt es, erlebt die Regierung wohl ein weiters blaues Wunder - in Umfragen, wohlgemerkt. Denn die nächste Nationalratswahl ist regulär erst 2018. Und selbst, wenn früher gewählt wird oder Strache bis 2018 den Ersten Platz verteidigt, würde ihn der nächste Bundespräsident eher nicht zum Bundeskanzler machen. Es ist zwar Usus in der Zweiten Republik, den Chef der stimmenstärksten Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Der Präsident hat aber einen großen Ermessensspielraum. Sieht er keine Möglichkeit, wie eine FPÖ in Ermangelung eines Partners eine Regierung bilden kann, wird er die Usance brechen und sich auf die "Stabilität im Land" berufen. Es kommt natürlich auch darauf an, wer dann Bundespräsident ist.
Rote hoffen auf Trendwende bei Jobs

In der SPÖ-Zentrale bereitet der blaue Höhenflug den Strategen noch wenig Kopfzerbrechen. Man holt tief Luft und setzt auf einen langen Atem. Die Partei, die im Wahlkampf groß "Arbeit" plakatiert hat, setzt auf die Trendwende am Arbeitsmarkt ab 2016. Bis dahin sollte sich die Aufregung um die Hypo gelegt haben. "Dann werden wir unsere erfolgreiche Arbeit fortsetzen und den Schwerpunkt auf Beschäftigung legen", heißt es. Das "gute Regierungsprogramm" werde man "konsequent abarbeiten", verweist man auch auf "Meilensteine" wie die Gratiszahnspange ab 2015. "Erfolgreich. Österreich", heißt das Regierungsprogramm. Die Kanzlerpartei wird Österreich weiter mit anderen Ländern vergleichen und hoffen, dass dieser Vergleich die Wähler sicher macht. In der ÖVP machen langfristige Überlegungen keinen Sinn. Dort hofft man, eine Obmanndebatte nach der EU-Wahl zu vermeiden.
FPÖ setzt auf "tektonische Verschiebungen"
Doch wie versucht die FPÖ selbst, an der Spitze zu bleiben, und was bringt‘s, wenn ein Strache Kanzler so unwahrscheinlich bleibt, wie damals ein Jörg Haider?
"Ich glaube, dass 2015 einige Wahlergebnisse in den Bundesländern zu tektonischen Verschiebungen führen werden", sagt der strategische Mastermind der Freiheitlichen, Herbert Kickl. Er hofft, dass sich in SPÖ und ÖVP die Kräfte durchsetzen, die ein Wagnis mit der FPÖ eingehen wollen. Bis dahin will die FPÖ die "personelle Verbreiterung der Partei nach außen kommunizieren". Sprich, sie will die bürgerliche Mittelschicht und wertkonservative Wähler mit herzeigbaren Gesichtern ansprechen.
Die freiheitlichen Abenteurer auf der Krim
Als Beispiel für diesen moderaten Typus nennt Kickl den Dritten Präsidenten des Nationalrats, Norbert Hofer. Allerdings fallen Straches Parteikollegen immer wieder durch eher exzentrische Auftritte auf, so wie Vizeparteichef Johann Gudenus. In Tradition eines Jörg Haiders und seiner Besuche bei Iraks Despoten Saddam Hussein oder Libyens Ex-Diktator Gaddafi stellte er dem Referendum auf der Krimhalbinsel als inoffizieller Wahlbeobachter ein einwandfreies Zeugnis aus. Gudenus hat die diplomatische Akademie besucht und spricht fließend Russisch. Kickl verteidigt die Reise. "Es ist vernünftig, sich ein eigenes Bild zu machen, anstatt die amerikanische Propaganda zu glauben."
Die FPÖ wird sich mit solchen und anderen Aktionen gegen die "political correctness" weiter von den anderen abgrenzen. Beim Thema Ausländer hat man aber zumindest in der Parteizentrale bewusst einen Gang zurückgeschalten. Ließ die FPÖ 2005 bei der Wien-Wahl noch "Daham statt Islam" plakatieren, ging es 2010 um Nächstenliebe - natürlich zuerst für die Österreicher. "Uns ist das Hemd näher als der Rock. Aber wenn es den eigenen Leuten gut geht, kann man auch über den Tellerrand blicken", beschreibt ein FPÖ-Mann den "differenzierteren" Zugang von heute, an dem Strache festhalten werde.
"Größte Gefahr ist die Langeweile"
Der einstige Berater der FPÖ, Historiker Lothar Höbelt, sieht Straches Potenzial nach oben im "bürgerlichen, wirtschaftstreibenden Milieu". Die jungen Arbeiter in der Privatwirtschaft würden ohnedies schon blau wählen und die roten Senioren bekomme er nicht mehr herum. Strache sei "richtig gefahren", er habe die "Roten ausgehöhlt, so weit es geht". "Die FPÖ hat immer schon ein Potenzial von 30 Prozent gehabt", ist Höbelt nicht überrascht vom derzeitigen Höhenflug. Das Potenzial könnten die Freiheitlichen wegen der ÖVP-Probleme derzeit gut ausschöpfen. Für die FPÖ sei nun das eigentliche Problem, "die Langeweile bis zur nächsten Wahl zu überbrücken". Das Dilemma könnte also sein: Die FPÖ muss moderater werden, um ins bürgerliche Lager vorzustoßen. Wird sie dabei langweilig, geht es ihr rasch wie im Sommer 2011.