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"FPÖ-Image in der Welt ist heute Image Österreichs"

Von Eva Zitterbart/Jerusalem

Politik

Die FPÖ ist interessiert daran, eine Koalition mit einer der beiden anderen Parteien zu bilden." So skizzierte Peter Sichrovsky die augenblickliche Lage in Österreich. Haider wolle eine volle | Legislaturperiode hindurch Landeshauptmann von Kärnten bleiben und nicht einer Regierung angehören, in der er nicht selbst Kanzler sei. Im Haus der Journalisten in Tel Aviv versammelten sich Mittwoch | rund 20 Journalisten, um Sichrovskys Erläuterungen über "Österreich nach den Wahlen" zu hören.


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Peter Sichrovsky legitimierte sich als Österreicher, Jude, aus einer Familie von Holocaust-Überlebenden stammend, in der die Großeltern in Auschwitz umgekommen seien, und als der einzige

österreichische Journalist, der während der Waldheim-Ära in Israel sogar von Präsident Chaim Herzog als Gesprächspartner akzeptiert worden sei. Und er legitimierte er sich auch als ehemaliger

Mitarbeiter der liberalen Tageszeitung "Der Standard", woraus auch sein erster Kontakt zu Jörg Haider herrühre. Die Fragen konzentrierten sich erwartungsgemäß auf das Ausmaß an Antisemitismus

in Österreich und seine persönliche Beziehung als Jude zu einer am äußeren rechten Rand des Politspektrums angesiedelten Partei.

Sichrovsky betonte, nicht von der FPÖ geschickt worden zu sein. Er sei von einem Rabbiner eingeladen worden, der in Deutschland eine neue separate Organisation für orthodoxe jüdische Gemeinden

gründen wolle. In einem Fernsehinterview sagte Peter Sichrovsky im Zusammenhang mit den scharfen Äußerungen des israelischen Außenministers David Levy über ein mögliches Einfrieren der diplomatischen

Beziehungen zu Österreich, daß Levy, aus Marokko stammend, vielleicht nicht das Wort Nazi gebraucht hätte, käme er wie Sichrovsky aus einer Familie, die in Europa den Holocaust überlebt habe. Ein

solcher Hinweis auf sephardische Herkunft in Israel gilt als grober politischer Fauxpas.

Sichrovsky verteidigte die FPÖ. Haider hasse nicht Minderheiten. Eine Lüge werde nicht wahrer dadurch, daß man sie oft genug wiederhole, zitierte Sichrovsky einen "berühmten Nazi" · wie er wörtlich

formulierte. Man möge ihm glauben nach all dem, was seine Familie im Holocaust mitgemacht habe, daß er nicht das Leben seiner Kinder durch Unterstützung einer Partei riskieren würde, deren Führer

Minderheiten hasse. Man habe Vertreter aller Minderheiten in der Partei, auch einen Moslem aus Ägypten und Immigranten aus anderen Ländern. Die FPÖ repräsentiere nun 27 Prozent der Österreicher.

"Glaubt hier wirklich jemand, daß mitten im modernen Europa in einer Demokratie wie Österreich 27 Prozent der Bevölkerung einen politischen Führer unterstützen würden, der ein faschistisches

Statement abgebe, das beinhaltet, Minderheiten zu hassen?" Da sei ein Unterschied zur Partei Le Pens in Frankreich, die rein rassistisch sei und den Hass gegen Minderheiten propagiere. Er sei der

erste gewesen, der im EU Parlament für Le Pens Rückzug plädiert habe.

Natürlich gebe es Antisemitismus in Österreich. Er kenne kein Land, wo das anders sei. "Ich würde Österreich nicht das Land nennen, das weltweit den geringsten Prozentsatz an Antisemitismus

aufweist. Aber es gibt keine politische Richtung, aus der Antisemitismus herkommt. Antisemitismus ist eine seltsame Form eines krankhaften Verhaltens ohne politischen Hintergrund."

Die Juden in Österreich müßten mit dem Antisemitismus leben und der sei zurückgegangen, nicht stärker geworden. Seine Kinder heute seien stolz, Juden zu sein, er habe noch als Kind in den 50er Jahren

Angst gehabt, zu sagen, daß er Jude sei.

Über Haiders Bemerkung, daß nach den israelischen Reaktionen auf den Wahlausgang in Österreich nun viele Menschen verstünden, weshalb es Antisemitismus gebe, meinte Sichrovsky, wenn es ein

antisemitisches Potential gebe, bedürfe es nicht des lächerlichen Statements eines Juden, um aus einem Menschen, der kein Antisemit sei, einen solchen zu machen. "Das Argument, daß die Juden für den

Antisemitismus verantwortlich seien, ist nicht meine Meinung."

Das Programm der FPÖ zur Einwanderung von Ausländern beruhe auf der Tatsache, daß der Anteil an Ausländern in Österreich so hoch sei, daß es für die Gesellschaft schwierig geworden sei, ein normales

Leben mit diesen Leuten zu organisieren.

Die Politik der FPÖ ähnle der vieler anderer Parteien in Europa: der britischen Konservativen, der Gaullisten in Frankreich und der deutschen CDU. Auch die Grünen in Rom seien gegen die "Zigeuner"

dort. Man könne nicht eine politische Frage auf einem moralischen Niveau diskutieren. Außerdem garantiere das FPÖ-Programm politisches Asyl und Menschen mit gültigen Papieren das Aufenthaltsrecht.

Es sei schwierig, zu erklären, woher das schlechte Image der FPÖ im Ausland komme. Einer der Gründe sei gewesen, daß Haider einige Bemerkungen gemacht habe, die er besser nicht gemacht hätte. Einige

wurden mißverstanden und einige mißbraucht. Ein anderer Grund sei, daß die SPÖ versucht habe, die FPÖ im Ausland zu schlagen, nachdem sie sie im Inland nicht schlagen konnte. Die Sozialisten hätten

ein gut organisiertes Kommunikationsnetzwerk, auch über die Botschaften, die gegen Haider interveniert hätten. Aber sie hätten damit weniger der FPÖ als dem Image Österreichs geschadet. "Das Image

der FPÖ in der Welt ist heute das Image Österreichs."

Dann räumte Sichrovsky ein, daß Menschen Fehler machten und Haider habe sich entschuldigt für das, was er in der Hitze der Debatte gesagt habe. Er habe auch seine Töchter in Washington ins

Holocaust Museum gebracht, aber darüber habe keine Zeitung berichtet, weil das nicht ins Bild passe. Und Haider habe keine Presse eingeladen, ihn dabei zu beobachten. Haiders Familie habe zwar die

Nazis unterstützt, aber sich nach dem Krieg geändert. Österreich sei von ehemaligen Nazis aufgebaut worden, weil man nicht die ganze Bevölkerung austauschen könne. Aber die Menschen hätten

sich geändert. Heute sei Europa das Zentrum der modernen Demokratie in der Welt.

"Ich war niemals in einer linken politischen Ecke", erläuterte Sichrovsky seine grundsätzlich konservative Einstellung und zu den Aussagen des Präsidenten der Kultusgemeinde über vermehrte

Übergriffe gegen Juden, daß dieser kein Sprecher der 15.000 Juden in Österreich. Er sei zu sehr in die österreichische Politikszene verwickelt, was auch von anderen jüdischen Funktionären in

Österreich nicht gutgeheißen werde. Aber es sei nicht zu leugnen, daß es ein rassistisches und antisemitisches Potential in Österreich gebe. "Gott sei Dank ist es nicht wie in Deutschland. Es gab bei

uns keine brennenden Synagogen und Asylantenheime, keiner der jüdischen Funktionäre in Österreich will in Israel begraben werden aus Angst, daß sein Grab in Wien gesprengt werden könnte. Das

rassistische und antisemitische Potential in Deutschland ist viel höher als in Österreich. Ich denke aber, daß noch viel zu tun ist im Bereich der Erziehung und alle zusammen etwas dagegen tun

sollten."