Bei der Nationalratswahl "hat eine beispiellose spektakuläre Neuorientierung der Wähler stattgefunden", was zu einer wesentlichen "Änderung des österreichischen Parteiensystems" geführt habe, | resümierte der Politologe Fritz Plasser Montag bei der Präsentation einer vom Fessel-GfK-Institut durchgeführten Befragung unter 2.200 Wählern nach ihrer Stimmabgabe. "Die FPÖ ist die neue | Arbeiterpartei" und habe in dieser Funktion "die SPÖ abgelöst", erklärte Plasser.
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Wählten im Jahr 1979 noch 63 Prozent der Arbeiter die SPÖ (1995: 41 Prozent), so waren es diesmal nur mehr 35 Prozent. Die FPÖ konnte in dieser Wählerschicht im selben Zeitraum ihren Stimmenanteil
mehr als verzehnfachen · somit wurde die FPÖ mit 47 Prozent unter den Arbeitern stärkste Partei (1979: 4, 1995: 34 Prozent).
Ein sehr markanter Unterschied zeigt sich zwischen den Geschlechtern. Während die Männer die FPÖ zur stimmenstärksten Partei erkoren, sind es bei den Frauen nach wie vor die Sozialdemokraten, die die
Lorbeeren ernteten. Unter den männlichen Wählern stimmten 32 Prozent für die FPÖ, 31 für die SPÖ und 26 für die ÖVP. Bei den Frauen ist die SPÖ mit 35 Prozent auf Platz eins, die
ÖVP mit 27 deutlich vor der FPÖ mit 21 Prozent.
Plasser machte auch auf deutliche generationsspezifische Unterschiede aufmerksam. Bei Wählern unter 30 hat die FPÖ mit 35 Prozent die meisten Stimmen. Die SPÖ kommt in dieser Gruppe auf 25, die ÖVP
auf 17 Prozent (Grüne: 13, LiF: 4). Bei den Pensionisten konnte die SPÖ ihren ersten Platz mit 43 Prozent verteidigen (ÖVP: 30, FPÖ: 24 Prozent).
Franz Sommer vom Zentrum für Angewandte Politikforschung skizzierte drei Szenarien, die sich durch die Auszählung der noch rund 200.000 Wahlkarten ergeben könnten. Derzeit rangiert die FPÖ mit 27,2
Prozent knapp vor der ÖVP (26,9). Der derzeitige Mandatsstand: SPÖ 65, ÖVP 52, FPÖ 53, Grüne 13.
Möglich wäre, dass entweder die SPÖ ein Mandat an die Grünen verliert oder die FPÖ eines an die Grünen oder die FPÖ eines an die ÖVP. Letzteres Szenario hält Sommer aber für "nicht so
wahrscheinlich". Er zeigte sich von einem weiteren Mandat für die Grünen überzeugt, unsicher sei nur von wem.
"Der Wahlkampf 1999 war einer der dramatischsten Wahlkämpfe der Zweiten Republik", betonte Peter Ulram vom Fessel-Institut. Ein Fünftel der Wähler hätten sich erst zwei Wochen vor der Wahl
entschieden.
Ausgewertet wurde auch die Frage der Wahlmotivation. Demnach wird die SPÖ von ihren Wählern vor allem als Sicherer der politischen und sozialen Stabilität (65 Prozent) geschätzt. Danach rangieren In
teressensvertretung, Tradition (62 Prozent) sowie Sicherung der Arbeitsplätze (55 Prozent).
Die ÖVP wurde von 69 Prozent ihrer Wähler als Interessensvertretung und aus Tradition sowie von 44 Prozent wegen ihrer Wirtschaftskompetenz gewählt. Die Wechselwähler, die die ÖVP unterstützten,
wollten zu 59 Prozent verhindern, dass die ÖVP auf Platz drei abstürzt.
Die freiheitlichen Wähler schätzen an ihrer Partei ihre Rolle als Aufdecker von Skandalen (65 Prozent) am meisten.
Bei den Grünen wirkte der Spitzenkandidat, Alexander Van der Bellen, weit stärker für die Wahlentscheidung als bei allen früheren Wahlen. Insgesamt steht das Thema Umweltschutz für 68 Prozent im
Vordergrund.
Unter den LiF-Wählern dominierte das Argument, dass das LiF im Parlament bleiben sollte, schloss Ulram.