FPÖ-Chef Jörg Haider ließ Dienstag Abend die Katze aus dem Sack und präsentierte in einer Sitzung der Bundesparteileitung den Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl am 3. Oktober: Thomas | Prinzhorn · am 4. November 1998 als FPÖ-Mandatar und aus allen Parteifunktionen überraschend zurückgetreten. In den letzten Tagen war Klubobmann Herbert Scheibner als Favorit gehandelt worden.
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Ihr gestern beschlossenes Wahlprogramm hat die FPÖ in insgesamt zehn Punkte gefasst · an der Spitze der großteils bekannten Forderungen stehen Kinderbetreuungsscheck, Flat Tax und "Entlastung der
Haushalte und Unternehmen": Ein Programm, geprägt von Sozialabbau, lauteten die kritischen Reaktionen von SPÖ, ÖVP, LiF und Grünen.
"Haider vermag nicht einmal den echten Freunden (Peter Westenthaler, Herbert Scheibner, Susanne Riess-Passer; Anm.) zu trauen, die er plakatiert", sagte SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka in einer ersten
Stellungnahme gegenüber der "Wiener Zeitung" in Reaktion auf die Nominierung Thomas Prinzhorns als Spitzenkandidat.
Auch ÖVP-Generalsekretärin Maria Kallat meldete Zweifel an: "Hoffentlich fällt er nicht noch vor der Wahl in Ungnade." Es werde darauf zu warten sein, ob Prinzhorn Haider oder Haider Prinzhorn früher
verlasse, denn Prinzhorn lasse sich nicht wie eine Marionette behandeln.
Der 56jährige Papierindustrielle hatte dem Nationalrat bereits vom Jänner 1996 bis zum 4. November des Vorjahres angehört. Damals hatte er sein Mandat · und seine Parteifunktionen · überraschend
zurückgelegt. Zuvor hatte er in Interviews Kritik am Kurs der Partei und an Personen aus dem FPÖ-Führungskreis geübt.
Das Wahlprogramm der FPÖ beurteilt Kostelka als eine "Sammlung von Ideenlosigkeit und den 24. Aufguss von Flat Tax und Kinderbetreuungsscheck".
FPÖ sorgt für Überraschung: Prinzhorn ist Spitzenkandidat
Der Kinderscheck soll bereits heute in zwei Kärntner Gemeinden als Pilotprojekt eingeführt werden. Für das erste Kind werden bis zum vierten Lebensjahr monatlich 5.700 ausbezahlt, bis zum
sechsten 2.850 Schilling. Für jedes weitere Kind gibt es 2.850 Schilling.
Bei SPÖ, ÖVP, LiF und Grünen stößt das Vorhaben auf Ablehnung. Das Pilotprojekt sei eine Ungleichbehandlungsaktion auf Kosten der Steuerzahler. Außerdem gebe es bei der Auszahlung des Schecks nichts
zu testen. "Wie man Geld richtig überweist, wird man in der FPÖ wohl schon gelernt haben", so die Sozialreferentin Gabriele Schaunig-Kandut (S).
Auch VP-Generalsekretärin Kallat wandte sich neuerlich gegen den Kinderscheck: "Das ist eine Mogelpackung und nicht finanzierbar."
Der Kinderbetreuungsscheck soll Frauen vom Arbeitsmarkt drängen, kritisierten LiF-Sozialsprecher Volker Kier und Grün-Sozialsprecher Karl Öllinger gegenüber der "Wiener Zeitung" unisono.
Die "Flat Tax ist eine Steuerfatamorgana und würde Riesendefizite und einen Sozialabbau bringen", betonte Kier. "Die FPÖ gibt mit entlarvender Offenheit zu, was sie wirklich will."
Für Öllinger operiert die FPÖ angesichts der affichierten Plakate "wie bisher mit der Angst vor Ausländern, Drogendealern und Kinderschändern".
Dem "Schutz unserer Kinder" gegen Missbrauch, Kinderpornographie und Drogen haben die Freiheitlichen in ihrem Programm auch einen eigenen Punkt gewidmet · die Plakate mit den nackten Kinderpopos
hängen allerdings noch immer, so die Kritik der Grünen.
Die Begründung der Freiheitlichen für den Kinderscheck: Den Familien seien pro Kind und Jahr 10.000 Schilling weggenommen worden. Außerdem sollten die Kindererziehungszeiten pensionsrechtlich voll
anerkannt werden.
Entlastung der Haushalte und Unternehmen verspricht die FPÖ mit einer Senkung der Strompreise und Mieten.
Weiters werden ein Einwanderungsstopp, die Einbürgerung erst nach zehn Jahren und keine EU-Osterweiterung ohne das Erreichen von Mindeststandards in den betroffenen Ländern gefordert.