SPÖ hat Reform verschoben, Grüne unterstützen jetzt FPÖ-Forderung.
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Wien. Die Wiener SPÖ hat die Kontrollrechtsreform verschoben, der grüne Regierungspartner musste widerwillig den bereits online veröffentlichten Gesetzesentwurf wieder vom Netz nehmen. Die FPÖ fordert nun deshalb im zuständigen Ausschuss die Abhaltung einer Enquete zu diesem Thema - "so wie das im Vorfeld von Gesetzesentscheidungen auch auf Bundesebene geschieht", erklärt FPÖ-Gemeinderat Dietbert Kowarik im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die entsprechende Ausschuss-Sitzung findet heute, Mittwoch, statt.
Wie bereits ausführlich berichtet, haben ÖVP und FPÖ den Gesetzesentwurf für einen neuen Stadtrechnungshof - so soll das "neue" Kontrollamt künftig heißen - strikt abgelehnt, weil er laut Opposition nicht weit genug geht: Nicht einmal das Niveau der Kontrollrechte des Bundesrechnungshofes werde erreicht, wird kritisiert. Außerdem sei den beiden Parteien keine 24 Stunden zur Durchsicht des neuen Regelwerks zugestanden worden. Eine fachliche Auseinandersetzung habe es im Vorfeld auch nicht gegeben, beklagt Kowarik.
Grüne übergangen
Da die Stadtregierung für die Reform eine Zweidrittelmehrheit benötigt und nun keine der beiden Oppositionsparteien zustimmen will, hat die SPÖ den Entwurf wieder zurückgezogen - was wiederum Verärgerung bei den Grünen ausgelöst hat. Denn obwohl es sich um ein rot-grünes Projekt handelt, dürfte die SPÖ den Entwurf ausgeschickt haben, ohne davor mit den Grünen darüber geredet zu haben. Auch das Verschieben des Beschlussantrages vonseiten der Wiener SPÖ sei nicht mit den Grünen akkordiert gewesen.
Warum hat die SPÖ so agiert? "Entweder aus völliger Unfähigkeit seitens der SPÖ oder aus Kalkül, weil man dann den Grünen das Scheitern der Reform in die Schuhe schieben kann", meinen Insider. Schließlich seien die Grünen dafür verantwortlich gewesen, dass möglichst viele Forderungen der Opposition in den Verhandlungen mit der SPÖ umgesetzt werden. Denn bereits 2007 hatten die Grünen - damals noch auf der Oppositionsbank - zusammen mit FPÖ und ÖVP einen Initiativantrag für eine Kontrollrechtsreform eingebracht.
Wahlkampfgeplänkel
Die Kontrollsprecherin Birgit Hebein reagierte jedenfalls auf den Rückzug der SPÖ mit Unverständnis. Die SPÖ habe offenbar der Mut verlassen. "Offensichtlich hoffen alle, dass nach der Nationalratswahl wieder Beruhigung eintritt und Sachpolitik wieder möglich wird", meinte Hebein.
Dass ÖVP und FPÖ ihre Zustimmung verweigert haben, bewerten allerdings sowohl Grüne als auch SPÖ als "Wahlkampfgeplänkel". Denn die Opposition sei durchaus in den Prozess miteingebunden gewesen und sie habe über die Inhalte der Reform sehr wohl bescheid gewusst, heißt es von beiden Seiten. Außerdem haben die Grünen laut Hebein der SPÖ fünf weitere Punkte abgerungen, die über die damaligen Oppositionsforderungen hinaus gehen: So zum Beispiel die geschärfte Sicherheitsprüfkompetenz im Bezug auf Töchter- und Enkelfirmen der Stadt Wien. Hier hat man sich laut Hebein - und entgegen den Behauptungen der Opposition - dem Rechnungshof angeglichen. Weiters würden für den Stadtrechnungshof-Direktor Unvereinbarkeitsbestimmungen sowie ein Berufsverbot gelten. Der jährliche Tätigkeitsbericht soll in Zukunft im Internet veröffentlicht werden, Gemeinderäte des behandelten Ressorts könnten an den Sitzungen des Stadtrechnungshofausschusses teilnehmen, und für die beigezogenen Ausschussmitglieder gelte überdies das Rede- und Fragerecht. "Das war in den ursprünglichen Forderungen von damals noch gar nicht drinnen", betont Hebein.
Grüne begrüßen Enquete
Dass die Opposition hier die Zustimmung verweigert hat, findet Hebein sehr bedauerlich, denn laut ihrer Meinung könne es sich keine Opposition leisten, gegen mehr Kontrolle zu stimmen. Die FPÖ-Forderung nach einer Enquete findet die grüne Politikerin aber wieder begrüßenswert: "Jede Erweiterung im Sinne von mehr Kontrolle und Transparenz wird von uns unterstützt, keine Frage - der Ball liegt jetzt bei der SPÖ", betonte Hebein.
Ebendort gibt man sich betont gelassen. SPÖ-Klubchef Rudolf Schicker bezeichnet etwa die Forderung der FPÖ nach einer Enquete als "untauglichen Versuch, sich ins Spiel zu bringen". "Und ob man die Umstellung auf Stadtrechnungshof mit 1. Jänner 2014 im Juni beschließt oder im November, ist ziemlich egal", meint Schicker. Er habe sich schon gewundert, dass sich die Opposition noch in letzter Minute quergelegt hat, "aber wahrscheinlich ist das in Zeiten des Wahlkampfes gar nicht anders möglich", so der Politiker weiter.
Insofern will Schicker auch nicht den Unmut der Grünen über die Vorgangsweise der SPÖ verstehen. Schließlich wäre eine Beschlussfassung ohne Opposition ohnehin nicht möglich gewesen. Jetzt sei das Ganze vertagt und die Opposition habe nun bis November genügend Zeit, um den Entwurf zu lesen.
Viel Spielraum sieht der SPÖ-Klubchef bei den Hauptkritikpunkten von ÖVP und FPÖ allerdings nicht - wie etwa jener, dass der Stadtrechnungshof nicht als unabhängiges Organ eingerichtet werde, sondern Teil des Magistrats bleibe. "Denn im Bundesgesetz steht, dass der Magistrat eine Einheit ist", meint Schicker. Und die Weisungsfreiheit des Stadtrechnungshofdirektors sei ohnehin gesetzlich mit Zweidrittelmehrheit gesichert.
Schicker setzt auf November
Laut Schicker könnte man die Reform ja auch jederzeit mit einfacher Mehrheit und ohne Opposition beschließen. "Aber gerade dann würde die Weisungsfreiheit des Direktors wegfallen", gibt Schicker zu bedenken. Denn genau bei diesem Passus in dem Entwurf handle es sich um eine Verfassungsbestimmung, für die eben eine Zweidrittelmehrheit nötig sei. "Nach der Nationalratswahl wird das schon über die Bühne gehen", ist sich Schicker auf jeden Fall sicher.