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FPÖ zielt auf scharfen Oppositionskurs

Von Karl Ettinger und Martin Tschiderer

Politik

Nach dem Rücktritt von FPÖ-Chef Norbert Hofer stehen nach diversen Absagen die meisten Zeichen auf Herbert Kickl als Nachfolger. Der Scharfmacher käme aber Manfred Haimbuchner vor der Oberösterreich-Wahl in die Quere.


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Der Rücktritt kam schnell und überraschend. Die Entscheidung über die Nachfolge wird möglicherweise weniger überraschend sein. Nachdem der bisherige FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer am Dienstag per - später gelöschtem - Tweet zurücktrat, war auch die Debatte offiziell eröffnet, die in Wahrheit schon lange in der Partei schwelt. Zunächst noch vor allem intern, in den vergangenen Wochen aber mit erstaunlicher Deutlichkeit und Härte auch in der Öffentlichkeit.

Nicht wenige in der Partei hielten den stets diplomatisch und verbindlich auftretenden Hofer schon immer geeignet für das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten, das er seit 2019 wieder ausübt; ebenso für einen weiteren Antritt bei der Bundespräsidentschaftswahl 2022; aber eben nicht so sehr für den idealen Parteichef einer FPÖ in der Oppositionsrolle. Dass die Sticheleien von Klubobmann Herbert Kickl gegenüber Hofer zuletzt immer deutlicher wurden, ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass Kickl seinen Parlamentsklub stets hinter sich wusste. Und immer größere Teile der Partei ohnehin davon ausgingen, dass Kickl die FPÖ in die nächste Nationalratswahl führen würde - ob "nur" als Spitzenkandidat, oder auch als Parteichef.

Der fluchtartige Rückzug Hofers - ohne absehbare Neuwahl ante portas - überraschte seine Partei nun aber doch sichtlich. Der frühere FPÖ-EU-Abgeordnete Andreas Mölzer hatte Kickl erst kürzlich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zwar wegen seines kantigen Profils als "logischen Spitzenkandidaten" für den nächsten Nationalrats-Wahlkampf genannt. Gleichzeitig ging er aber davon aus, dass es weiterhin eine Doppelspitze aus Kickl und Hofer geben würde, solange es zu keinen vorgezogenen Neuwahlen käme.

Gerade die Rasanz der Vorgänge dürfte nun für Kickl als neuen FPÖ-Chef sprechen - vor allem in Ermangelung plausibler Alternativkandidatinnen und -kandidaten. Am Mittwoch winkte nach Oberösterreichs Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner und dem Steirer Mario Kunasek auch Wiens Landesvorsitzender Dominik Nepp für die Position ab. Obwohl sich die Begeisterung für Kickl in manchen Bundesländern in durchaus engen Grenzen hält, stehen somit die Zeichen auf den streitbaren Klubobmann als Parteivorsitzenden - und damit auf einem radikalen Oppositionskurs auf absehbare Zeit.

Geringe Gegenliebe für Kickl in Oberösterreich und Wien

Im Laufe des Mittwochs hatten sich aus den Ländern die eindeutigen Stimmen für Kickl gemehrt. Salzburgs FPÖ-Obfrau Marlene Svazek sprach sich einmal mehr klar für den Ex-Innenminister als Parteichef aus, ebenso Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger: "Herbert Kickl soll kandidieren. Er soll es übernehmen und vorangehen", sagte er. Zu den Befürwortern Kickls zählt zudem Burgenlands FPÖ-Chef Alexander Petschnig. Und auch der neue Kärntner FPÖ-Chef Erwin Angerer nannte Kickl als "möglichen Obmann". Der FPÖ-Vorsitzende im Ibiza-U-Ausschuss Christian Hafenecker stellte sich am Mittwoch ebenfalls hinter den Klubobmann: "Mein persönlicher Favorit wäre Herbert Kickl." Diese Entscheidung wäre auch "vernünftig", so der ehemalige Generalsekretär.

Auf die geringste Gegenliebe stößt die Aussicht auf einen Parteichef Kickl allerdings in zwei für die FPÖ besonders gewichtigen Bundesländern: In Wien ließ Nepp nur mäßige Begeisterung durchklingen. In Oberösterreich ging Haimbuchner gar sehr explizit auf Distanz. "Nach derzeitiger Sicht würde ich hier eine offensive Unterstützung nicht kundtun", sagte er. "Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube, aber wenn es dann so ist, wie es ist, wird man es akzeptieren." Vorher werde es aber noch Gespräche geben, zu denen auch er seinen Beitrag leisten werde, so Haimbuchner.

Hintergrund: Haimbuchner will sich weiter die Option einer Regierungsbeteiligung offenhalten. Oberösterreichs Vizelandeshauptmann und bisheriger Stellvertreter Hofers ist in einer Zwickmühle und hat neben der Bundespartei vor allem auch seine Interessen auf Landesebene im Auge: Er muss am 26. September eine Landtagswahl schlagen.

Kickls scharfer Oppositionskurs und dessen Angriffe auf die ÖVP kämen Haimbuchner daher völlig in die Quere. Denn in Oberösterreich gibt es derzeit die einzige schwarz-blaue Koalition auf Landesebene. Sie besteht seit Herbst 2015. Haimbuchner ist auch nach der Landtagswahl im September an der Fortsetzung der Koalition interessiert. Der Landeshauptmann-Stellvertreter pflegt gute Kontakte zu Wirtschafts- und Industrievertretern in Oberösterreich. In Oberösterreichs ÖVP mit Landeshauptmann Thomas Stelzer will man ihrerseits mit Kickl möglichst wenig zu tun haben. Haimbuchners FPÖ war auch beim Kurs gegen die Corona-Maßnahmen der türkis-grünen Bundesregierung vor allem im Ton wesentlich zurückhaltender als der FPÖ-Klubobmann im Hohen Haus.

Haimbuchner hatte seinem Unmut über die Geschehnisse in der Bundespartei am Mittwoch im ORF-Radio freien Lauf gelassen: "Wien ist nicht immer so wichtig. Da wäre es manchmal gescheiter, sich mit mehr Sachpolitik auseinanderzusetzen, dann hat man für andere Spielchen nicht so viel Zeit." Man solle zudem in der Partei grundsätzlich das Einende vor das Trennende stellen.

Aus der Parteigeschichte bekannte Konfliktlinien

Beim künftigen bundespolitischen Kurs kommt Haimbuchner mit seiner starken Landesorganisation jedenfalls eine Schlüsselrolle zu. Er steht klar für eine Fortsetzung des verbindlicheren Kurses von Hofer mit einer Annäherung der Freiheitlichen an die "bürgerliche Mitte" und dem gezielten Ansprechen moderat-rechter Wählersegmente, um regierungs- und koalitionsfähig zu sein.

Mit dem für Radikalopposition stehenden Teil der Partei um Kickl und dem moderateren Flügel um Haimbuchner stehen sich damit erneut jene beiden freiheitlichen Ausrichtungen gegenüber, die in der Parteigeschichte immer wieder zu internen Konflikten bis hin zu Parteispaltungen geführt haben. Ob beim Putsch Jörg Haiders gegen den damaligen Parteichef Norbert Steger 1986, oder rund um den Parteitag von Knittelfeld 2002, dem die Abspaltung von Haiders BZÖ folgte: Die Konfliktlinien verliefen stets in ähnlichen Bahnen. Auch wenn Spaltungstendenzen aktuell weit entfernt scheinen und die FPÖ - gerade in Kenntnis ihrer eigenen Geschichte - versuchen wird, auf Zusammenhalt zu setzen: Der Interessenskonflikt der beiden Lager könnte sich mit einem polarisierenden Parteichef Kickl künftig wieder verschärfen.