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Fracking vergiftet die Atmosphäre

Von Eva Stanzl

Wissen

Innsbrucker Forscher messen gesundheitsschädliche Stoffe über US-Schiefergas-Gebiet.


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Innsbruck/Wien. Die umstrittene Fracking-Technik bei der Förderung von Schiefergas und Schieferöl belastet die Atmosphäre mit gesundheitsschädlichen Gasen. Das berichten Forscher der Universität Innsbruck und der US-Weltraumbehörde Nasa anhand von Messungen in einem Fracking-Gebiet im US-Bundesstaat Colorado.

Hintergrund ist der rasante Anstieg der Erdgasgewinnung aus Gesteinsporen vor allem in den USA, der dort zu einem Preisverfall geführt hat. Auch Kanada und europäische Länder gewinnen immer mehr Schiefergas. Beim "Hydraulic Fracturing", kurz Fracking, wird mit Hilfe von hydraulischem Druck Gestein aufgebrochen. Ein Gemisch aus Sand, Wasser und Chemikalien wird in den Untergrund gepresst. Es entstehen feine Risse im Gestein, über die in tausenden Metern Tiefe lagerndes Gas und Öl entweichen und über Bohrrohre an die Oberfläche gelangen kann. Nach Angaben der Erdgas- und Erdölindustrie erschließe Fracking saubere und günstige Energie für viele Jahrzehnte. Kritiker befürchten negative Auswirkungen der Schiefergas-Förderung auf das Trinkwasser und eine erhöhte Gefahr von Erdbeben.

Laut den Innsbrucker Forschern kommt eine weitere Umweltbelastung hinzu: "Bei der Förderung, Aufbereitung und Verteilung von Schiefergas gelangen über zahllose Lecks klima- und gesundheitsschädliche Gase in die Atmosphäre", sagt Armin Wisthaler vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck. Seine Gruppe hat zusammen mit dem Tiroler Unternehmen Ionicon Analytik Messgeräte für Luftschadstoffe entwickelt, die die Zusammensetzung von organischen Spurenstoffen in der Atmosphäre in Sekundenbruchteilen messen können.

"Wir finden krebserregendes Benzol, höhere Konzentrationen von giftigem und übel riechendem Schwefelwasserstoff als bei Müllhalden und Vorläufersubstanzen für gesundheitsschädliches Ozon in ländlichen Gegenden, wo man eigentlich saubere Luft erwarten würde", sagt Wisthaler zur "Wiener Zeitung". Die Messungen würden Einzelbefunde amerikanischer Kollegen aus anderen Gegenden, in denen Fracking intensiv betrieben wird, bestätigen.

Wisthaler plädiert "dringend" für strengere Umweltauflagen und Kontrollen. "In manchen Anlagen wurde extrem schlampig gearbeitet, man hört sogar die Lecks an den Leitungen - wodurch auch Produkt verloren geht", sagt der Forscher, dessen Team nach Colorado geholt wurde, um überhöhte Ozon-Grenzwerte zu messen: "Der Preisverfall hat den Druck auf die Anlagenbetreiber enorm erhöht. In die Überprüfung wird kein Geld gesteckt."

In Deutschland und Österreich ist Fracking heftig umstritten. Das deutsche Umweltbundesamt will die Schiefergas-Förderung mit scharfen gesetzlichen Richtlinien praktisch unmöglich machen. Und in Österreich musste die OMV ein Pilotprojekt zur Schiefergas-Gewinnung im Weinviertel stoppen. "Das Thema wird nicht mehr aufgerollt", betont OMV-Sprecher Johannes Vetter: "Wir wollen nicht mit dem Brecheisen vorgehen." Er räumt jedoch ein: "Unser Projekt beruhte auf ,Clean Fracking‘, bei dem statt Chemikalien Wasserschlacke und UV-Licht zum Einsatz kommen. Es wäre wesentlich umweltfreundlicher gewesen als die russische Gasproduktion, deren Abnehmer wir derzeit sind."

Unfälle bleiben geheim, Chemikalien unter Verschluss

Auch Wisthaler betont, dass eine sorgfältige Schiefergas-Förderung neutral für die Luftqualität sein könne. Umstritten bleibe jedoch das Ausmaß der Klimabelastung durch Methan-Austritte sowie der riesige Landbedarf, den die Anlagen haben. Aus genau diesem Grund fordert auch ein internationales Forscherteam der Simon Fraser University in Burnaby, Kanada, strengere Auflagen für Fracking. Die verzweigten Netze von Straßen, Förderanlagen und Pipelines würden die Lebensräume von Tieren und Pflanzen zersplittern, warnt Studienleiter Viorel Popescu in der Zeitschrift "Frontiers in Ecology and the Environment". Zudem bliebe ein Großteil der in Nordamerika eingesetzten Chemikalien, die krebserregende und radioaktive Stoffe enthalten könnten, geheim. Durchschnittlich würden bei jeder dritten Bohrstelle nicht genannte Chemikalien eingesetzt.