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Frage der Nationalen Sicherheit

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Militärexperte Karner fordert einen völligen Neustart der Beratungen.


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Wien. Im Juli wird die neue Sicherheitsstrategie beschlossen. Die Frage ist nur, ob dafür die Stimmen von SPÖ und ÖVP reichen müssen oder ob die eine oder andere Oppositionspartei mitstimmt. Derzeit spricht einiges für Ersteres, denn auch am Mittwoch kam man sich in einer Sitzung des Unterausschusses des Verteidigungsausschusses nicht näher.

Schon seit zwei Jahren liegt die neue Sicherheitsstrategie in der Schublade. Sie sollte die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin von 2001 ersetzen und die neue Richtschnur für Österreichs Sicherheitspolitik werden. Weil sich SPÖ und ÖVP aber in Sachen Wehrpflicht bis zur Volksbefragung im heurigen Jänner nicht einigen konnten, wurde damals im März 2011 nur der sogenannte Analyseteil im Ministerrat beschlossen. Darin werden die aktuellen Bedrohungen analysiert. Der Empfehlungsteil, der die Antworten auf die jeweiligen Bedrohungsszenarien enthalten soll, wurde erst in diesem Frühjahr dem Parlament vorgelegt - und harrt nun seines Beschlusses.

Die Sicherheitsstrategie ist ein reiner Entschließungsantrag, also quasi ein Wunsch an die Regierung. Rechtlich verpflichtend ist er nicht, aber politisch. Für den Beschluss genügt eine einfache Mehrheit, trotzdem ist die Politik um eine breite Unterstützung bemüht - schließlich geht es um die nationale Sicherheit.

Damit aber etwa die Grünen zustimmen, "müsste es große Änderungen im Entwurf geben", sagt der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz. Aus seiner Sicht ist der Empfehlungsteil völlig unzureichend. So würde etwa der Aspekt der ökologischen Sicherheitspolitik - also Fragen wie grenznahe Atomkraftwerke oder die Verhinderung von Naturkatastrophen - ebenso fehlen, wie europäische Aspekte. "Es fehlen Antworten, welche Rolle die österreichische Sicherheitspolitik in der EU spielt. Soll sich Österreich zum Beispiel an den Petersberg-Aufgaben beteiligen?"

Inhaltliche Kritik kommt auch von der FPÖ, etwa dass die Größe von Auslandskontingenten mit einer konkreten Zahl von mindestens 1100 Soldaten festgelegt ist.

"Mutlos und blutleer"

Noch härter ins Gericht geht Sicherheitsexperte Gerald Karner mit dem Papier. Er bezeichnet es im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" als "völlig unausgegoren". Das merke man alleine schon daran, dass Strategien anderer Länder wesentlich umfangreicher und konkreter seien. Den Grund dafür sieht Karner darin, dass "die Politik mit Verteidigungspolitik nichts anzufangen weiß". Das Ergebnis sei "ein mutloser, blutleerer, substanzloser Versuch, ein Papier vorzulegen, nur um ein Papier vorzulegen". Karner fordert daher ein "Zurück an den Start". Es gebe genügend Experten, die ein Papier vorlegen könnten, das "mehr ist als eine Sammlung von Allgemeinplätzen".

Auch dass die Koalition jetzt versucht, die Strategie noch vor der Sommerpause durchzupeitschen, stößt Karner sauer auf. Das sei "ein beispielloser Vorgang in einer westlichen Demokratie". Auch Peter Pilz kritisiert die jetzige Eile als "überfallsartig", nachdem zuvor "zwei Jahre nichts passiert" sei.

Die Koalition will allerdings an ihrem Zeitplan festhalten. Nächste Woche wolle man am Rand der Nationalratssitzungen einen "fraktionellen Abgleich machen, ob wir uns annähern", sagt ÖVP-Wehrsprecher Oskar Klikovits. Dann werde man entscheiden, ob FPÖ und Grüne mitstimmen - "das BZÖ hat sich ja leider verabschiedet", so Klikovits -, oder ob die Regierungsparteien es alleine beschließen. Im Juli werde die Sicherheitsstrategie jedenfalls beschlossen - "entweder gemeinsam oder einsam". Damit habe die Sicherheitsstrategie allerdings ein "Ablaufdatum von einigen Monaten", sagt Pilz, denn eine Sicherheitsdoktrin sei "nur brauchbar, wenn sie auch die nächste Regierung überlebt".

Wissen

Der Entwurf der Koalition zur Sicherheitsstrategie sieht für das Bundesheer eine Mobilmachungsstärke von 55.000 Mann vor. Gleichzeitig wird die Wehrpflicht in der Strategie verankert und im Gegensatz zur Vorgängerstrategie die Beitrittsoption zur Nato gestrichen.

Die klassische Landesverteidigung rückt in den Hintergrund. Stattdessen gewinnen Bedrohungen wie Cyber-Attacken, Naturkatastrophen, grenzüberschreitende organisierte Kriminalität oder auch der Schutz kritischer Infrastruktur an Bedeutung. Äußere, innere, militärische und zivile Sicherheitsaspekte sollen daher verknüpft werden. Das bedeutet eine engere Kooperation von Bundesheer und inneren Sicherheitsbehörden.