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Vertraue jedem, der eine Frage hat, misstraue jedem, der vorgibt, die richtige Antwort gefunden zu haben. Das klingt zwar vernünftig, doch gibt es bekanntlich auch Frager, die böse Absichten hegen und einen aufs Eis führen wollen, damit man - vor laufender Kamera und eingeschaltetem Mikrofon - ausrutscht und auf die Nase fällt. Daher hat es sich bei immer mehr Politikern umgekehrt eingebürgert, prinzipiell jedem zu misstrauen, der Fragen stellt. Man geht auf den Inhalt der Frage gar nicht mehr ein, sondern posaunt unbeirrt jene Botschaften hinaus, die man sich vorher zurechtgelegt hat. Inzwischen gibt es noch ausgeklügeltere Strategien: Der eine stellt sich die Fragen gleich selbst oder gibt jene Fragen, die er beantworten möchte, vorher bekannt. Oder - wie es ein führender Repräsentant vor gar nicht langer Zeit demonstriert hat - man lässt sich beim Schweigen filmen und schickt dieses aussagenstarke Dokument an den ORF, damit auch die Zuseher vor den Fernsehapparaten an der allerhöchsten Schweigeminute teilhaben können. Da gibt dann endlich weder Fragen noch Antworten, sondern nur noch beredtes Schweigen.
In Medienalbanien kursierte einst folgender Witz: Bei einer Betriebsversammlung stellte einer der Mitarbeiter dem Vorsitzenden eine hintergründige Frage. Diese wurde als berechtigt anerkannt, ihre Beantwortung aber auf die nächste Sitzung vertagt. Als die Beantwortung dann erneut ausblieb, meldete sich ein weiterer Kollege zu Wort, wiederholte die Frage und erkundigte sich in weiterer Folge nach dem Verbleib ersten Fragestellers. - Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass man schon lange nichts mehr von Robert Wiesner gesehen und gehört hat? Der pointierte "ZiB"-Interviewer scheint wie von der Bildfläche verschwunden.